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Der vergessene Strand

Der vergessene Strand

Titel: Der vergessene Strand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Peters
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sie. «Ich will endlich alles wissen.»
    Sie lief das kurze Stück zu Jonathan zu Fuß. Obwohl es gerade mal halb sieben war, war er schon wach und schien nicht im Mindesten überrascht, dass sie vor seiner Tür stand.
    «Ich will mit David sprechen», sagte sie. «Du weißt doch, wo er ist. Warum sagst du es mir nicht endlich? Wohnt er noch in York? Die Adresse hab ich von Rosalie», fügte sie erklärend hinzu.
    Jon seufzte. Er fuhr sich mit einer Hand durch den weißen Schopf, und die Haare standen ihm förmlich zu Berge. «Willst du das wirklich, Amy? Es geht ihm nicht gut, darum frag ich.»
    «Ging es ihm in den letzten dreißig Jahren denn irgendwann mal gut?», erwiderte sie. «Ich will nur mit ihm reden. Ihn kennenlernen. Er weiß mehr über meine Kindheit als ich, oder?»
    Sie sah, wie Jonathan mit sich rang. Als wollte auch er die Schatten der Vergangenheit nicht an sich heranlassen. Schließlich nickte er. «Also gut. Du wirst mit dem Auto hinfahren müssen. Es sind acht Meilen bis dorthin.»
    «Das schaffe ich schon.» Acht Meilen. Er war die ganze Zeit so nah gewesen, und sie hatte nichts davon gewusst.
    «Ich schreib dir die Adresse auf.» Er zögerte. «Dann nehme ich an, du willst nicht frühstücken?»
    Amelie zögerte. Vernünftig wäre es, wenn sie etwas aß. Andererseits konnte sie wohl kaum um sieben Uhr bei ihrem Vater vor der Tür stehen, oder?
    «Wenn du was hast …»
    «Natürlich. Komm rein.»
    Sie saßen in der Küche und sprachen nicht viel, weil vermutlich schon alles gesagt war. Als Amelie sich eine Dreiviertelstunde später verabschiedete, stand Jonathan auf, und für sie völlig überraschend umarmte er sie. Seine Strickweste roch nach Pfeifentabak und Old Spice. «Sei nicht zu hart zu ihm», sagte er leise. «Er hat am meisten gelitten von uns allen.»
    Die acht Meilen zogen sich ewig, auf und ab und vor und zurück ging es an der Küste entlang Richtung Süden. Amelie hatte schweißnasse Hände. Sie zitterte und fror, aber das war nur die Aufregung, weil sie endlich ihrem Vater gegenüberstehen durfte.
    Und wenn er nun ein echtes Ekelpaket war? Ein Widerling, der sie nicht sehen wollte, ein richtiges Arschloch? Wenn es gute Gründe gab, warum ihre Mutter nichts mehr mit ihm zu schaffen haben wollte und Amelie all die Jahre von ihm fernhielt?
    Diese Möglichkeit schreckte sie nicht. Es war egal, wer er war, denn er hatte sie in den ersten Jahren ihres Lebens geprägt. Und sie wollte jetzt endlich wissen, woher sie kam. Sie wollte sich selbst besser verstehen, und das konnte sie nur, wenn sie ihre Familie verstand.
    Die Adresse, die Jon auf einem kleinen Post-it notiert hatte, führte Amelie zu einem Apartmentkomplex am Rand von Tenby, einem hübschen Küstenort im Südosten von Pembrokeshire. Amelie parkte vor dem Gebäude auf dem Parkstreifen und stieg aus. Jetzt bloß nicht darüber nachdenken, was sie tat, sonst machte sie noch kehrt und fuhr unverrichteter Dinge wieder heim.
    Der Apartmentkomplex bestand aus drei Gebäuden, und in dem dritten, das von der Straße etwas zurückgesetzt war, stand ein D. Bowden auf dem Klingelschild für Apartment  5 C. Amelie drückte die Knöpfe der anderen Wohnungen und wartete, bis jemand den Türsummer betätigte. Sie lief bis in den fünften Stock und klopfte an die Tür von 5 C. Es war kurz vor acht Uhr.
    Hinter der Tür hörte man Unruhe, dann schlurfende Schritte. Stille. Vermutlich beobachtete er sie durch den Türspion. Amelie hob die Hand, um erneut anzuklopfen, doch da öffnete sich die Tür schon, und sie stand ihrem Vater gegenüber.
    «Guten Morgen», sagte er. Im Bademantel und mit zerzausten Haaren, der Blick noch müde. Die Erschöpfung stand ihm ins Gesicht geschrieben.
    «Guten Morgen», sagte sie. «Ich wollte nicht … hoffentlich hab ich dich nicht geweckt.» Er schüttelte stumm den Kopf. «Ich wollte dich sofort sehen, weil …»
    Amelie wusste nicht mehr weiter. Sie versuchte es erneut. «Ich bin Amy», sagte sie schließlich.
    «Das weiß ich», erwiderte er leise. «Es ist schön, dich zu sehen, Amy.»
     
    «Du siehst deiner Mutter so ähnlich!»
    Ihr Vater hatte sie hereingebeten. Sie saßen in der schmalen Küche, die gerade mal genug Platz für eine Standardküchenzeile auf der einen Seite und einen schmalen Tisch und zwei Stühle auf der anderen Seite ließ. David kochte Kaffee und lehnte jetzt mit verschränkten Armen an der Anrichte, während die Kaffeemaschine vor sich hin blubberte.
    «Das sagen

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