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Der vergessene Strand

Der vergessene Strand

Titel: Der vergessene Strand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Peters
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sich nicht anders zu helfen, als schleunigst Zuflucht zu suchen.
    Früher hatte sie vor Dianas Bett gestanden, sobald in der Ferne die ersten Donner grollten. Ihre Freundin hatte nie gelacht, sondern war beiseitegerückt, damit sie sich an sie kuscheln konnte. Später war Michael dagewesen und hatte sie im Arm gehalten, während sie die Hände auf die Ohren presste und trotzdem jeden Donner hörte. Jedem Blitz zählte sie nach – «einundzwanzig, zweiundzwanzig» – und kniff die Augen fest zu, bis das Gewitter in der Ferne verklang.
    Jetzt stolperte sie ohne nachzudenken die Treppe zu Dans Schlafzimmer hoch. Sie wusste nur, dass sie es nicht ertrug, allein zu sein, und zwar keine Sekunde länger als unbedingt nötig.
    In Dans Zimmer war es dunkel. Sie tastete sich in die Richtung, in der sie das Bett vermutete.
    «Amelie?», flüsterte er, und dann flammte das Licht auf dem Nachttisch auf. Sie drehte sich verwirrt halb zu ihm hin: Er lag schräg hinter ihr.
    «Das Gewitter.» Ihre Stimme versagte.
    «Komm her.»
    Das Bett war breit genug für sie beide. Er rückte beiseite, und sie legte sich neben ihn. Amelie suchte seine Hand – irgendwas brauchte sie, um sich daran festzuhalten, verdammt! – und kniff die Augen zusammen, als der nächste Donner das Haus erzittern ließ.
    «Warte hier.»
    Er stand auf, und Amelie griff panisch im Dunkeln nach ihm. Seine Schritte verklangen auf der Treppe, und die Blitze erhellten sein Schlafzimmer. Sie machte sich ganz klein.
    Ja, es war schrecklich albern, sich so sehr vor einem Gewitter zu fürchten, das wusste Amelie. Aber andere Frauen kreischten, wenn sie eine Spinne in der Badewanne fanden. Oder hatten einen Waschzwang, konnten keine Bücher aus der Bibliothek lesen, weil darin schon andere Menschen gelesen hatten. Sie hatte eben panische Angst vor Gewittern.
    Dan war wieder da. Er hatte ihre Bettdecke geholt, die noch ihre Körperwärme gespeichert hatte. Er schlüpfte zurück ins Bett und bot ihr die Hand, damit sie Halt fand. Amelie entspannte sich etwas. Da war jemand, der ihre Angst ernst nahm. Der nicht fragte und nichts sagte.
    Der nichts verlangte.
    Sie lagen einfach nur im Dunkeln und lauschten. Wenn ein Donner krachte, zuckte Amelie zusammen, und dann streichelte Dans Daumen zaghaft ihren Handrücken. Mehr nicht. Sie verlor jedes Zeitgefühl.
    «Ich glaube, jetzt zieht es weiter.» Dan lächelte sie an. Er rückte etwas von ihr ab und ließ ihre Hand los. «Warten wir noch ein bisschen. Aber das Schlimmste ist vorbei.»
    Daliegen und atmen. Nur sein. Die Bettdecken raschelten, wenn sie sich bewegten. Dan setzte sich auf und fragte, ob sie wieder nach unten gehen wolle, das Gewitter komme bestimmt nicht zurück.
    «Darf ich auch bleiben?», fragte sie schüchtern.
    «Natürlich. Wenn du dich damit wohler fühlst.»
    Sie nickte. Dan löschte das Licht, und im Dunkeln fühlte es sich schon wieder nicht richtig an, aber sie wollte es wenigstens versuchen. Außerdem fürchtete sie, das Gewitter könnte tatsächlich zurückkommen.
    Es kam nicht zurück. Sie lag lange wach und lauschte auf Dans Atemzüge. Und als sie endlich einschlief, drehte sie sich auf die Seite, ihm zugewandt. Im Halbschlaf tastete ihre Hand nach seiner.
    Und im Traum stand sie am Strand. Da waren nur dieser Strand und eine Hand, die sich um ihre schloss.
    Mehr brauchte sie nicht.
     
    «Sie sehen Ihrer Mutter sehr ähnlich.»
    Peggy Elswood hatte zum Tee geladen, und Amelie hatte die Einladung sehr gern angenommen. Also saß sie zwei Tage später – an einem Samstag – in Peggy Elswoods winzigem, plüschigem Wohnzimmer auf einem rosa Chintzsofa mit Paisleymuster und versuchte, sich nicht allzu ungeschickt anzustellen. Um sie herum saßen noch drei weitere Damen aus dem Heimatverein, von denen Mrs. Elswood behauptete, jede von ihnen könne etwas zum Thema beitragen. Amelie hatte eher den Verdacht, dass die Frauen lediglich ihre Neugier befriedigen wollten.
    Mrs. Fenwick war da. Dann die Schwestern Tremayne, Rosalie und Edith. Beide waren knapp über sechzig. Mit ihren lila gefärbten Miniplilöckchen glichen sie einander wie Zwillinge. Das mochte aber auch daran liegen, dass sie sehr ähnliche, graue Kostüme trugen: Rosalie ein dunkelgraues, Edith ein mittelgraues.
    Und beide reckten die Hälse, sodass sie aussahen wie alte Schildkröten. Mit lila Minipli.
    Amelie versuchte, ernst zu bleiben, während die vier Damen am Tisch sie neugierig musterten. «Das höre ich häufiger»,

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