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Der vergessene Tempel

Der vergessene Tempel

Titel: Der vergessene Tempel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Harper
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haben Sie sich wirklich selbst übertroffen.»
    «Das heißt noch nichts», wandte Grant ein, jedoch ohne wirkliche Überzeugung. «Selbst wenn es die richtige Stelle auf der Landkarte ist, haben wir es immer noch mit einem Küstenabschnitt von mehreren Kilometern zu tun. Und dieser Küstenabschnitt liegt zufällig in der Sowjetunion», fügte er trocken hinzu.
    «Ein Grund mehr, dass wir uns schleunigst auf den Weg machen.»
    «Was ist mit Marina? Jetzt, nachdem wir wissen, wo der Tempel ist, können wir die Schrifttafel doch eintauschen.»
    Reed nickte, Jackson hingegen beobachtete Grant mit einem seltsamen, beunruhigenden Blick, und sein Gesicht nahm einen kalten Ausdruck an. «Wir geben den Kommies überhaupt nichts – nicht ehe dieser Schild sicher in Tennessee ist. Und verdammt nochmal ganz bestimmt nicht, solange er noch in einer Höhle irgendwo auf sowjetischem Territorium liegt.»
    Grant starrte ihn fassungslos an. «Sie werden Marina nicht im Stich lassen. Nicht nach allem, was sie für uns getan hat.» Er machte einen Schritt auf Jackson zu.
    Der hob die Hände zum Zeichen, dass er kapitulierte. «Schon gut, schon gut. Ich sage ja nur, wir müssen diese Sache durchdacht angehen. Nicht voreilig unsere Asse verspielen für eine Königin.»
    «Sie ist keine Spielkarte, Jackson. Was immer die Russen ihr antun – ich werde dasselbe mit Ihnen machen, das können Sie mir glauben.»
    «Okay.» Jackson atmete tief durch und setzte sich auf einen Stuhl. «Wir sollten nicht vergessen, dass wir alle auf derselben Seite stehen – und alle dasselbe wollen.»
    «Tun wir das?»
    «Ja. Ich will auch, dass Marina freikommt, ganz ehrlich. Sie ist ein gutes Mädchen. Aber glauben Sie mir, wenn die Russen diesen Schild in die Hände bekommen, dann werden Sie es erfahren, und zwar auf die grauenhafteste Weise, die Sie sich vorstellen können. Wir müssen also beides haben, Marina und den Schild. Wie spät ist es?»
    Grant schaute wieder einmal auf die Uhr. «Kurz nach vier Uhr früh.»
    «Und heute Abend um sechs sollen wir uns mit Kurchosow treffen, nicht wahr?» Er beugte sich über die Karte und maß die Entfernung mit Daumen und Zeigefinger. «Vierhundertfünfzig Meilen. Wir haben noch Kurchosows Flugzeug hier. Wenn wir jetzt aufbrechen, können wir bei Tagesanbruch dort sein. Das Bismatron wird uns helfen, den Schild aufzuspüren, sofern er dort ist. Wir werden ihn ihnen vor der Nase wegschnappen und schon wieder über alle Berge sein, ehe sie Wind davon bekommen. Dann kommen wir schnellstmöglich wieder her und sind noch rechtzeitig zurück, um Kurchosow die Tafel als Lösegeld für Marina zu geben.»
    «Und wenn wir es nicht schaffen, rechtzeitig wieder hier zu sein?»
    Jackson zuckte die Achseln. «Dann ist das Treffen mit Kurchosow unsere geringste Sorge.»

DREISSIG
    Schwarzes Meer, östlich der Meerenge von Kerc, 7.58 Uhr morgens
    Gischtwolken stoben auf, als das Flugboot mit hoher Geschwindigkeit auf dem Wasser aufsetzte. Der Himmel über ihnen war schiefergrau, die Klippen jedoch ragten blendend weiß aus dem Meer auf. Hinter ihnen erhoben sich die Berge. Die Situation kam Grant seltsam bekannt vor; es war nicht das erste Mal, dass er sich in aller Hast und Heimlichkeit einer feindlichen Küste näherte. Doch während er im Krieg – oder selbst vor einem Monat, als er mit den Gewehren an jenem schicksalhaften Strand in Palästina gelandet war – eine gespannte Erregung empfunden hatte, brachte er jetzt nicht mehr die Energie dazu auf. Eine beunruhigende Gleichgültigkeit hatte von ihm Besitz ergriffen; selbst das heftig auf den Wellen schaukelnde Flugboot unter ihm fühlte sich tot an. Er hoffte, dass dies kein böses Omen war.
    Als sie sich dem Fuß der Klippen näherten, drosselten sie den Motor und suchten das Ufer nach einem geeigneten Anlegeplatz ab. Seevögel kreisten über ihnen, hoben mit unheimlichen Schreien von den Klippen ab und stürzten sich ins Meer hinunter. Grant sah, wie sich einer mit einem zappelnden Fisch im Schnabel wieder aus den Wellen erhob; als er flatterte, um Höhe zu gewinnen, sprühten Wassertropfen von seinen Flügelspitzen. Grant musste an die Geschichte denken, die Sourcelles ihnen erzählt hatte – von den Vögeln, die mit ihren Flügeln Wasser versprengt hatten, um den Tempel zu reinigen –, und ihn schauderte.

    Drei Stunden zuvor, noch ehe der Morgen dämmerte, hatten sie sich auf einem Anlegesteg vor einem unscheinbaren Lagerhaus am asiatischen Ufer des Bosporos

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