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Der vergessene Tempel

Der vergessene Tempel

Titel: Der vergessene Tempel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Harper
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Irgun-Kämpfer und verteilte Schusswaffen, die er aus einem Sack holte.
    «Wie ein verdammter hebräischer Weihnachtsmann», sagte Grant.
    Ephraim sah ihn verwirrt an. «Wer ist das, der Weihnachtsmann?»
    Sie drängten sich den Gang hinunter, an dem Kämpfer vorbei – der keine Waffen mehr zu verteilen hatte – und hinaus in den Innenhof der Festung. Nach achthundert Jahren war das Bodenniveau fast einen Meter höher als die ursprünglichen Fundamente, deshalb war vor dem Gebäude ein Graben ausgehoben worden, um Zugang zu ermöglichen. Jetzt drängten sich darin die Exhäftlinge und ihre Befreier und lieferten sich ein wildes Feuergefecht mit der englischen Besatzung am Pförtnerhaus. Am jenseitigen Ende des Hofs zeugten ein Haufen rauchender Trümmer und ein großes Loch in der Mauer davon, wie sich der Irgun mit Sprengstoff einen Weg in die Festung gebahnt hatte.
    «Wer hat hier das Kommando?»
    Er hatte die Frage dem Kämpfer neben sich ins Ohr gebrüllt, einem hageren jungen Mann, der, wie es schien, aus einem Karabiner aus dem Ersten Weltkrieg feuerte. Während er den Bolzen zurückriss, wieder einrasten ließ und zielte, gelang es ihm irgendwie, auf einen großen Mann mit schwarzer Baskenmütze in einem Mantel zu deuten, etwa in der Mitte des Grabens. Grant kroch zu ihm hinüber.
    «Wo ist Ihr Fluchtweg? Durch das Loch in der Mauer?»
    Der Irgun-Kommandeur schüttelte den Kopf. «Da sind wir nur hereingekommen», erwiderte er auf Englisch. «Hinaus nehmen wir den Hintereingang.» Er deutete mit dem Kopf nach links, dorthin, wo die Westmauer ins Meer hinausragte. Grant starrte hinüber und sah Männer, die im Schatten an der Mauer entlangschlichen, den Blicken der britischen Soldaten entzogen, die sich voll und ganz auf den Beschuss des Gefängnisblocks konzentrierten.
    «Schwimmen wir?»
    «Nicht, wenn Sie sich beeilen.»
    Grant schaute wieder zum Pförtnerhaus. Aus einer der alten Schießscharten oben auf dem Turm blitzte das Mündungsfeuer eines Maschinengewehrs auf. Solange sie in dem Graben hockten, waren sie sicher, doch sobald sie ihren Posten räumten, würden sie auf dem offenen Gelände leichte Ziele abgeben.
    «Bevor wir gehen, müssen Sie erst mal den da oben ausschalten.»
    Der Kommandeur sah ihn an. «Wollen Sie das übernehmen?»
    «Warum nicht?»

    Seit der Ankunft des geheimnisvollen Besuchers war es mit Lieutenant Cargills Abend steil bergab gegangen. Bei seinem Sturz hatte er sich einen Knöchel verdreht, in dem es jetzt schmerzhaft pochte, doch das war nichts gegen die Qual, an das Büromobiliar gefesselt am Boden liegen und hilflos zuhören zu müssen, wie draußen die Schlacht tobte. Er konnte nicht einmal sagen, wer die Oberhand hatte. Und er machte sich auch nicht vor, dass sich seine Lage entscheidend verbessern würde, wenn der Kampf vorüber war.
    Die Tür flog auf. Hinter seinem Schreibtisch sah Cargill, wie zwei abgetragene braune Stiefel durch den Raum gespurtet kamen. Er reckte den Kopf hoch, und genau in dem Moment tauchte ein schmutziges, unrasiertes Gesicht über dem Schreibtisch auf und sah ihn verblüfft an. Eine Bitte um Hilfe erstarb auf Cargills Lippen.
    «Sie sind der Waffenschmuggler.» Ein grauenhafter Gedanke schoss ihm durch den Kopf. «Das hat doch wohl nichts mit Ihrem Besucher zu tun, oder?»
    Grant antwortete nicht: Er zerrte die Schubladen aus Cargills Schreibtisch und leerte eine nach der anderen auf den Tisch aus. Am Ende holte er ein braunes Lederhalfter aus der untersten. Aus der Lederklappe lugte der Walnussholzgriff eines Webley-Revolvers. Grant zog ihn heraus und prüfte die Trommel.
    Trotz seiner Hilf- und Wehrlosigkeit gab Cargill sich unerschrocken. «Wollen Sie mich jetzt kaltblütig abknallen?»
    Grant schüttelte den Kopf. «Unnötig. Das überlasse ich der Army, wenn man erst feststellt, was Sie hier für einen Murks gebaut haben.» Er überlegte kurz. «Was für eine Hutgröße haben Sie?»

    Von dem Gang vor Cargills Büro führte eine abgenutzte Treppe zu den Befestigungen hinauf. Grant hastete sie hoch, zwei Stufen auf einmal nehmend, und rannte längs der Mauer auf den Turm des Pförtnerhauses zu. Im allgemeinen Durcheinander hatte man vergessen, die Tür zuzusperren. Grant huschte hinein. Dieser Teil des Turms war entkernt worden, bis auf die vier Stahlpfeiler, auf denen der Posten auf dem Dach ruhte. Sie schimmerten im Dunkel, blitzten immer wieder im Licht des draußen tobenden Feuergefechts auf, während der zugige Innenraum dumpf

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