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Der vergessene Tempel

Der vergessene Tempel

Titel: Der vergessene Tempel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Harper
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aber er beherrschte sich und blinzelte nicht. Lange sah er Muir direkt in die Augen – und pustete seinem Gegenüber die Rauchwolke dann mitten ins Gesicht, so unvermittelt, dass Muir zurückwich. «Was glauben Sie, was ich damit gemacht habe? Für einen Besuch in der Bücherei hatte ich keine Zeit. Ich habe das Buch weggeworfen und mich dann auf die Suche nach Nazis gemacht, um sie umzubringen. Wenn Sie meinen Bericht gelesen haben, dürfte Ihnen bekannt sein, dass ich dabei auch ziemlich erfolgreich war.»
    Muir lehnte sich auf dem Stuhl zurück. «Ich glaube Ihnen nicht.»
    «Sie haben wohl nicht viel Zeit an der Front verbracht, nehme ich an.»
    «Ich glaube einfach nicht, dass Sie ein Notizbuch, das Ihnen ein Sterbender kurz vor seinem Tod anvertraut hat, einfach so wegwerfen. Hat es Sie nicht interessiert, warum ihm so viel daran lag?»
    «Er hätte mir auch seine glückbringende Streichholzschachtel und ein Medaillon mit der Locke seiner Liebsten geben können – ich hätte damit dasselbe gemacht.» Grant schüttelte den Kopf. «Ich habe in dem Buch geblättert, aber da standen nur Kauderwelsch und Hokuspokus drin. Ich musste längere Entfernungen zurücklegen, da konnte ich keinen Ballast gebrauchen. Also habe ich es weggeworfen.»
    Muir starrte ihn noch einen Augenblick lang an und stand dann unvermittelt auf. «Wie schade. Wenn Sie es behalten hätten oder mir sagen könnten, wo es zu finden ist, wäre ich in der Lage gewesen, Ihnen vielleicht hier rauszuhelfen. Womöglich wäre sogar etwas Geld dabei herausgesprungen. Denn hier werden die Juden Sie doch wohl nicht bezahlen.» Er sah gespannt zu ihm herunter. «Nun?»
    «Scheren Sie sich zum Teufel», sagte Grant.

    Der Wagen bog in das Wäldchen ein und machte kurz darauf halt. Seine Scheinwerferkegel tauchten die Lichtung in gelbes Licht und beleuchteten einen verbeulten Lastwagen der Marke Humber mit heruntergelassenen Baumwollplanen. Daneben lungerte ein Grüppchen junger Männer in bunt zusammengewürfelten Kampfuniformen, teils rauchend, teils ihre Waffen überprüfend. Sie boten einen furchterregenden Anblick – doch falls die Insassen des Autos Angst hatten, ließen sie sich das nicht anmerken. Niemand stieg aus. Nur ein Quietschen war zu vernehmen, als ein Insasse auf der Rückbank sein Fenster herunterkurbelte.
    Einer der Männer kam herüber und bückte sich leicht, um in den Wagen zu schauen. Obwohl die Nacht lau war, trug er einen langen Mantel und eine schwarze Baskenmütze auf dem kurzen grauen Stoppelhaar. Er war mit einer Maschinenpistole bewaffnet.
    «Seid ihr bereit?» Auf dem Rücksitz glomm eine Zigarette, aber das Gesicht dahinter war im Schatten nicht zu erkennen. «Habt ihr gefunden, was ihr braucht?»
    Der Mann mit der Mütze nickte. «Es war alles in dem Laster – wie von Ihnen versprochen. Wir sind bereit.»
    «Dann vermasselt es nicht. Und achtet darauf, dass er lebend herauskommt.»

    Man führte Grant in seine Zelle zurück, ein Kellergewölbe der Kreuzfahrerburg, in das drei Holzpritschen gezwängt waren. In der pechschwarzen Finsternis musste er sich zu seinem Bett durchtasten. Dort ließ er sich auf die Matratze fallen, ohne seine Schuhe auszuziehen.
    Auf der Nachbarpritsche flammte ein Streichholz auf, und ein olivenfarbenes, junges Gesicht mit einer schwarzen Haartolle darüber wurde sichtbar. Der Junge zündete zwei Zigaretten zwischen seinen Lippen an, reichte eine an Grant weiter und pustete dann das Streichholz aus, ehe es ihm die Finger versengte.
    Dankbar nahm Grant das Geschenk an. «Danke, Ephraim.»
    «Haben sie dich geschlagen?» Älter als fünfzehn, sechzehn konnte der Junge nicht sein, doch seine Stimme war ganz sachlich. Und warum auch nicht?, überlegte Grant. Ephraim war schon viel länger hier eingesperrt als er, seit fast drei Monaten jetzt, verurteilt, weil er in Haifa britische Polizisten mit Steinen beworfen hatte.
    «Nein, sie haben mich nicht geschlagen.»
    «Wollten sie wissen, wo sie Begin aufspüren können?»
    «Nein.» Grant schob einen Arm hinter den Kopf und pustete eine Rauchwolke zur Decke hoch. «Es waren nicht die üblichen Schläger. Irgendein Agent aus London. War nicht am Irgun interessiert – wollte bloß eine uralte Geschichte ausgraben.»
    «Hast du ihm was erzählt?»
    «Ich …»
    Sie spürten die Explosion selbst durch die meterdicken Mauern. Die Pritschen wackelten, Geröllstaub kam von der Decke geregnet. Grant schwang herum und sprang auf den Boden, zerrte den jungen

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