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Der vergessene Tempel

Der vergessene Tempel

Titel: Der vergessene Tempel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Harper
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widerhallte vom Knattern des Maschinengewehrs oberhalb. Grant stülpte sich Cargills Schirmmütze auf das zerzauste Haar, berührte den Webley, der jetzt wieder um seine Hüfte geschnallt war, und kletterte dann die an der Wand befestigte Holzleiter empor.
    Der MG-Schütze auf dem Dach konnte Grant kaum gehört haben, hatte aber wohl die Bewegung aus dem Augenwinkel mitbekommen. Er stellte das Feuer kurz ein und drehte sich um.
    «Was fällt Ihnen denn ein, Mann?», herrschte Grant ihn in ruppigem Befehlston an. «Halten Sie diese Juden weiter in Schach!»
    Dieser Anpfiff und der vertraute Umriss der Offiziersmütze beruhigten den Schützen im Nu. Er drückte sich das Maschinengewehr an die Schulter und feuerte eine weitere Salve in die Runde. Mehr Zeit benötigte Grant nicht. Er überquerte das Dach und schickte den Schützen mit einem Tritt auf den Holzboden, wo dieser sich vor Schmerz krümmte. Zwei weitere wohlplatzierte Fausthiebe genügten, und der Schütze lag bewusslos da.
    Grant zog dem Mann den Gürtel aus der Hose und fesselte ihm damit die Hände auf den Rücken. Danach kehrte er zum Maschinengewehr zurück, schwenkte es herum und gab eine längere Salve in Richtung der britischen Soldaten ab. Grinsend verfolgte er, wie sich unter ihnen Verwirrung breitmachte. Einige feuerten geistesgegenwärtig ein paar Schüsse zurück, die Splitter aus dem Mauerwerk herausbrachen, doch die meisten liefen planlos durcheinander. Drüben beim Gefängnisblock nahm die Frequenz der Schüsse unterdessen rapide ab, während der Irgun die Gelegenheit nutzte, aus der Festung zu entkommen.
    Grant feuerte eine weitere Salve ab, hob dann das schwere Maschinengewehr an und schleifte es zur hinteren Mauer hinüber, wobei er darauf achtete, nicht an den glühend heißen Lauf zu kommen. Dort ließ er es in den wasserlosen Burggraben fallen. Bis es dort jemand fand, hoffte Grant längst über alle Berge zu sein.

    In dem Graben befand sich mittlerweile nur noch ein halbes Dutzend Kämpfer. Ein paar lagen leblos auf dem Boden, die meisten aber schienen entkommen zu sein. Grant kehrte zu dem Kommandeur mit der schwarzen Baskenmütze zurück. «Gerade noch rechtzeitig», brummte dieser. Er hielt inne, um ein neues Magazin in seine Maschinenpistole zu stecken. «Wir müssen jetzt zum Boot.» Er wandte sich nach rechts und reichte die Waffe an den Kämpfer neben ihm weiter. «Halt diese Engländer in Schach, bis wir über die Mauer sind.»
    Die Arme des Kämpfers sackten sichtlich nach unten, als er die schwere Pistole in Empfang nahm, aber sein junges Gesicht leuchtete vor Entschlossenheit.
    Grant riss die Augen auf. «Ephraim?»
    Der Junge wuchtete die MP auf den Erdwall und blickte mit äußerster Konzentration den Lauf hinab. Grant wandte sich an den Kommandeur. «Sie können ihn doch nicht hierlassen.»
    «Irgendeiner muss die Briten in Schach halten, bis wir fort sind.»
    «Das übernehme ich», sagte Grant spontan.
    Der Kommandeur zuckte die Achseln. «Tun Sie, was Sie wollen, Engländer. Wenn Sie bleiben, wird man Sie hängen.»
    «Und wenn ich gehe, wird der Junge gehängt.»
    Ephraim schüttelte den Kopf und zeigte ein strahlendes Lächeln. «Das können sie nicht – ich bin noch zu jung. Bis ich alt genug für den Galgen bin, ist Israel frei.»
    Grant blickte auf den Jungen herunter. Das Haar hing ihm ins Gesicht, und aus seinen Augen blitzte der Wunsch, es den verhassten Kolonialherren heimzuzahlen. Vielleicht hatte Grant in dem Alter ja genauso ausgesehen, an jenem Tag, als er mit einem einzigen Koffer in Port Elizabeth an Land gegangen war. Ein Teil von ihm – der junge Mann, der einst nach Südafrika ausgerissen war – wollte bei dem Jungen bleiben und seinen Traum vom Heldentum teilen. Doch ein anderer, kälterer Teil wusste, was er tun musste.
    Grant streckte die Hand aus und wuschelte Ephraim durchs Haar. «Wechsle öfter mal den Standort», riet er ihm. «Dann glauben die, es wären noch mehr hier.»
    Ephraim lächelte, beugte sich dann über die Waffe und betätigte den Abzug. Die MP wäre ihm fast aus den Händen gesprungen, doch dann bekam er sie in den Griff.
    Der Irgun-Kommandeur zog Grant am Ärmel. «Wir müssen gehen.»
    Sie rannten an der Mauer entlang. Grant kam sich fürchterlich schutzlos vor, aber Ephraims vereinzelte MP-Salven hielten die Besatzung weiter in Schach. Am Fuß des hintersten Turms fand er eine Strickleiter, die er rasch hinaufkletterte, bis er auf der Brustwehr stand und vor sich das

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