Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der vergessene Tempel

Der vergessene Tempel

Titel: Der vergessene Tempel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Harper
Vom Netzwerk:
Ephraim mit herunter, und so kauerten sie Seite an Seite im Dunkeln. Schüsse waren zu hören – panisch und vereinzelt zunächst, dann regelmäßig, als die Maschinengewehre in Betrieb genommen wurden.
    «Sie kommen näher.» Grant legte Ephraim die Hand auf die Schulter und schob ihn durch die Zelle, bis er das kalte Metall der Tür ertastete – unverändert abgesperrt. Er drückte sich mit dem Rücken an die Wand und schob Ephraim auf die andere Seite des Türrahmens.
    «Halt dich bereit – irgendjemand kommt da.»

    Lieutenant Cargill kehrte in sein Büro zurück und goss sich einen großzügigen Schluck aus der Flasche ein, die er in seinem Schreibtisch aufbewahrte. Ihm waren im Krieg schon viele unangenehme Zeitgenossen begegnet, und auch später hier in Palästina, aber nur wenige, die so viel vorsätzliche Unfreundlichkeit zur Schau trugen wie sein namenloser Besucher.
    Jemand klopfte an die Tür. Whisky schwappte über den Rand des Glases. Hatte der Besucher noch irgendetwas vergessen?
    «Der Ingenieur, Sir. Wegen der Reparatur des Generators.»
    Cargill seufzte erleichtert auf. «Herein.»
    Der Ingenieur war ein kleiner Mann mit Nickelbrille, in einer schlechtsitzenden Uniform, die aussah, als wäre sie ursprünglich für einen Größeren bestimmt gewesen.
    «Ziemlich spät, um jetzt noch den Generator zu reparieren, finden Sie nicht?» Cargill tupfte den Whisky mit seinem Taschentuch vom Tisch. «Wäre es nicht zweckmäßiger, bis Tagesanbruch zu warten?»
    Der Ingenieur zuckte mit den Schultern. Er schien stark zu schwitzen. «Befehl, Sir.» Er kam weiter auf Cargill zu, eine große Tasche in der linken Hand. «Also, Sir, wenn Sie mir jetzt Ihre Schlüssel geben könnten.»
    «Um an den Generator zu kommen, brauchen Sie meine Schlüssel nicht. Sie finden ihn …»
    Cargill hob den Blick und schaute in die Mündung einer Luger, die ihm direkt vor die Nase gehalten wurde. «Was zum Teufel?»
    «Ihre Schlüssel.»
    Als der Mann die Hand ausstreckte, rutschte der Ärmel seines schlechtsitzenden Hemdes hoch. Auf seinen Unterarm war, in blauvioletter Tinte, die niemals verblassen würde, eine Reihe winziger Zahlen tätowiert.
    «Sie wären nicht der erste Mensch, den ich sterben sehe. Geben Sie mir die Schlüssel.»
    Während der Mann ihn weiter mit der Luger in Schach hielt, hakte Cargill den Schlüsselbund von seinem Gürtel los und legte ihn auf den Tisch. Dann nahm der Ingenieur – der Jude , berichtigte sich Cargill im Stillen – ein Elektrokabel aus seiner Tasche, mit dem er Cargills Handgelenke an die Rückenlehne des Stuhls und seine Knöchel an die Tischbeine fesselte. Cargill ließ diese Erniedrigung mit stoischem Schweigen über sich ergehen.
    «Mit diesen Schlüsseln können Sie vielleicht die Zellen aufsperren, aber durchs Tor kommen Sie damit nicht. Da können Sie nicht einfach so mit Ihren Freunden vom Irgun im Schlepptau hinausmarschieren.»
    «Wir finden schon einen Weg.»
    Im nächsten Moment erschütterte eine gewaltige Explosion die Festung bis in die Grundmauern. Offenbar hatte sie sich ganz in der Nähe ereignet. Cargill geriet auf seinem Stuhl ins Wanken, konnte das Gleichgewicht nicht halten und kippte um, was ihm einen Schmerzensschrei entlockte, da seine Beine weiter an den Tisch gefesselt waren. Durch die Wolke aus Staub und Qualm, die den Raum erfüllte, sah er, wie der Jude die Schlüssel an sich nahm und sich dann zum Abschied an die Mütze tippte.
    «Schalom.»

    Die Schritte kamen jetzt näher. Sie folgten einem bestimmten Rhythmus: rückten vor, hielten inne, rückten vor, hielten inne. Jedes Mal, wenn es still wurde, konnte Grant Schreie und das Klappern von Metall hören. Kurz übertönte eine weitere Salve Maschinengewehrfeuer von draußen die Geräusche; als sie aufhörte, war direkt vor der Tür das Rasseln von Schlüsseln zu hören. Grant spannte sich in der Finsternis. Innen besaß die Tür keinen Griff – er konnte also nur warten, während der Schlüssel ins Schloss geschoben wurde, sich drehte, das Schloss aufsprang …
    «Rak kach.»
    Die Tür schwang auf, doch das Quietschen der Angeln ging im Freudengeschrei Ephraims unter. «Rak kach!», gab er den Wahlspruch des Irgun aufgeregt zurück. « Rak kach . Gepriesen sei Gott, dass ihr gekommen seid.»
    «Gepriesen sei Gott, wenn wir hier rauskommen», brummte Grant.
    Als sie die Zelle verließen, war ihr Retter bereits weitergehastet, aber im Gang wimmelte es von befreiten Häftlingen. Am hinteren Ende stand ein

Weitere Kostenlose Bücher