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Der vergessene Tempel

Der vergessene Tempel

Titel: Der vergessene Tempel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Harper
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Keramikscherben, zu verschiedenen Haufen angeordnet.
    «Das ist interessant.» Marina nahm zwei Scherben von dem äußersten Haufen und hielt sie zusammen. «Die meisten der Funde stammen aus der mittleren minoischen Periode – vor etwa dreieinhalbtausend Jahren –, aber die hier sind viel jünger. Fast so, als wäre die Kultstätte aufgegeben und dann später wiederentdeckt worden.»
    «Wie viel später?»
    «So etwa vor dreitausend Jahren.»
    Grant gähnte. «Das ist mir alles viel zu lange her, Schätzchen.» Er ließ seinen Blick über die auf der Bank aufgereihten Artefakte gleiten. «Wie viel ist dieser Kram denn ungefähr wert?»
    «Aus archäologischer Sicht könnten das recht bedeutsame Funde sein. Die Statuette der Göttin ist zwar kein Einzelstück, aber ein wirklich schönes Exemplar. Am wertvollsten ist vermutlich die Keramik – falls wir sie chronologisch näher einordnen können, wird sie uns viel über die Besiedlungsmuster in diesem Teil der Insel verraten.» Sie runzelte die Stirn. «Es wäre nützlich, ihre Stratifizierung zu kennen. Es wundert mich, dass Pemberton das nicht …» Sie hielt inne, als ihr Grants verdrossener Gesichtsausdruck auffiel. «Was ist?»
    «Wie faszinierend der Kram für Archäologen ist, interessiert mich nicht. Ich will wissen, wie viel er wert ist.»
    «Geht es dir nur darum?» Ihre Stimme klang bitter. «Die halbe Welt liegt in Trümmern, und die andere Hälfte kann sich nicht mal selbst ernähren. Reich kannst du mit dem Verkauf der Überreste einer Kultur, von der die wenigsten Leute je gehört haben, nicht werden. Falls du es auf Reichtümer abgesehen hast, solltest du lieber wieder Waffen schmuggeln. Fürs Töten haben die Leute immer Geld übrig.»
    Sie wandte sich ab, aber Grant fasste sie an der Schulter und drehte sie wieder zu sich um. «Glaubst du wirklich, ich will diesen Krempel in irgendein Pfandhaus tragen, um damit Geld zu machen? Denk nach. Dieser nette Herr vom Geheimdienst ist extra nach Palästina gekommen, um zu sehen, ob ich Pembertons Notizbuch habe, und das wohl kaum im Auftrag des Britischen Museums. In London glaubt man offensichtlich, dass das Buch wertvolle Informationen enthält – wertvoll für die Sorte Männer, die mit Eisen und Öl und Waffen und Leben handeln. Deshalb frage ich dich nochmal: Ist das Zeug hier wertvoll? Denn wenn nicht, haben entweder die sich geirrt, oder wir sind am falschen Ort gelandet.»
    Er trat zurück. Marina fröstelte, trotz der stickigen Wärme in der Höhle.
    «Einige der Sachen hier dürften für Gelehrte von Interesse sein», erklärte sie tonlos. «Ansonsten … sehe ich hier nichts.»
    «Was ist damit?»
    Grant hob die Lampe zu der Nische in der hinteren Wand. Auf den ersten Blick hatte er das Objekt darin für eine umgedrehte Vase gehalten, bei genauerer Betrachtung aber sah er, dass es sich um einen Stein handelte, etwa sechzig Zentimeter hoch und leicht patronenförmig, in den ringsum ein Geflecht sich überkreuzender Linien geritzt war. Die Spitze war leicht eingedellt.
    «Das …» Marina musterte das Objekt. «Das ist sehr ungewöhnlich. Natürlich nicht wertvoll», setzte sie spitz hinzu, «aber sehr selten. Das könnte, glaube ich, ein Baityl sein.»
    «Ein Bettel?», fragte Grant verwirrt.
    «Ein Baityl . Ein heiliger Stein. Möglicherweise ursprünglich ein Meteorit, wobei das hier natürlich eine Nachbildung ist. Die Einbuchtung in der Spitze enthielt womöglich ein Bruchstück des Originalsteins – oder vielleicht auch eine Art kultisches Idol.» Sie fuhr mit den Händen über die kalte Oberfläche, beinahe zärtlich. «Warst du schon mal bei dem Orakel in Delphi?»
    «Habe in der Nähe mal einen Zug in die Luft gesprengt. Für die Sehenswürdigkeiten hatte ich leider keine Zeit.»
    «Dort gibt es etwas Ähnliches. Man nennt ihn Omphalos , Nabel der Welt. Hier auf Kreta gibt es Fresken, auf denen ähnliche Objekte dargestellt sind, aber so etwas wie das wurde hier noch nicht gefunden.»
    «Ich verstehe immer noch nicht, wieso …»
    Grant fuhr herum. «Was war das?» Der Webley schimmerte in seiner Hand – bis er mit einer flinken Bewegung in die Lampe griff und die Flamme mit den Fingern löschte. Sofort herrschte tiefste Finsternis.
    «Warte hier.» Grant ließ einen Arm zur Seite schnellen und stieß Marina in die Ecke der Kammer. Dann trat er lautlos zwei Schritte nach links, um von der Tür wegzukommen.
    «Was ist denn?»
    Die Antwort konnte Grant sich sparen. Durch den Gang

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