Der vergessene Tempel
jetzt in Deckung. Noch drei Kugeln im Magazin . Würden sie versuchen, ihn von zwei Seiten in die Mangel zu nehmen?
Er wühlte mit den Fingern in der Erde, bis er einen losen Stein gefunden hatte, klein genug zum Werfen, groß genug, um ein Geräusch zu verursachen. Er schleuderte ihn nach rechts. Der Stein landete gut vernehmlich am Boden – doch danach: nichts.
Entweder haben sie das Interesse verloren, oder sie haben dazugelernt . Vom hinteren Terrassenende, dem er jetzt ein ganzes Stück näher gekommen war, konnte er immer noch Kampfgeräusche hören. Er rückte ein wenig um den Steinblock herum, blieb jedoch weiter in Deckung. In der Dunkelheit, nur fahl erleuchtet vom Mond, bildeten die Schatten, die dort miteinander rangen, ein dreiköpfiges Ungeheuer, das sich brüllend auf der antiken Terrasse wand. Dann löste sich eine Gestalt, taumelte und stürzte zu Boden. Das schien die Lage zu ändern. Die verbliebenen zwei setzten sich in Bewegung – immer noch miteinander ringend, aber weniger heftig. Die eine hielt die andere offenbar im Schwitzkasten und zerrte sie quer durch den Hof. Grant hob den Webley – doch auf welchen der beiden sollte er schießen?
Der dritte Mann rappelte sich vom Boden auf und setzte den anderen im Laufschritt nach. Grant richtete den Revolver auf ihn und hielt dann inne. Selbst als dunkler Schattenriss hatte die Gestalt etwas Unverwechselbares. Muir .
Zwei Blitze – und zwei Augenblicke lang sah Grant das Geschehen im Hof, festgehalten wie auf Schnappschüssen. Auf dem ersten stolperten zwei Männer über die Terrasse, wobei der eine den anderen am Haar gepackt hielt, während Muir sie verfolgte. Beim zweiten Lichtblitz lag Muir am Boden. Grant konnte zwar nicht sehen, wer geschossen hatte, wusste aber immerhin, aus welcher Richtung die Schüsse gekommen waren. Er feuerte zurück – zweimal –, und dann, als sich nichts tat, noch ein drittes Mal. Etwas Schweres stürzte durchs Gesträuch und landete auf dem Boden des Heiligtums. Grant schlug alle Vorsicht in den Wind, sprang hinter dem Steinblock hervor und spurtete zu Muir hinüber. Die Blutlache neben ihm sah im Mondlicht schwarz aus.
«Verplempern Sie nicht Ihre Zeit», stöhnte Muir. «Die haben Reed.»
Grant blickte sich suchend um. Der Russe war mit Reed von der Terrasse verschwunden, zerrte ihn vermutlich schon durchs Gestrüpp zur Bucht hinunter. Wie viele von ihnen hatte er schon erwischt? Drei, vier vielleicht? Kurz erwog er, zum Lager zurückzulaufen, um den Webley nachzuladen – aber das würde Zeit kosten, die er nicht hatte. In der Hoffnung, dass nirgends ein Russe lauerte, der ihn aufs Korn nahm, rannte Grant über die Terrasse, den Abhang am Ende hinauf und auf der anderen Seite wieder hinunter. Das Gelände neigte sich, stieg wieder an und fiel dann bis zur Bucht ab. Dort lag das Boot, schaukelte nicht weit vom Strand im Wasser – und dort waren auch die beiden Männer, dunkle Schatten vor dem silbrigen Sand. Der Russe versuchte gerade, Reed in das Boot zu bugsieren: Bis zu den Knien im Wasser stehend, musste er den Professor mit der Pistole in der einen Hand in Schach halten, während er sich mit der anderen an der Motorreißleine zu schaffen machte.
Die Maschine erwachte hustend zum Leben – das war Grants Gelegenheit. Er sprang die sandige Böschung hinunter auf den Strand und spurtete auf den Russen zu. Der Sand verschluckte das Geräusch seiner Schritte, hinzu kam das Knattern des Motors. Und der Russe war weiter abgelenkt wegen Reed. Er fuchtelte wütend mit seiner Pistole herum, aber der Professor weigerte sich stur, zu gehorchen. Mehr noch, er bewegte sich sogar langsam rückwärts aufs Land zu. Der Russe feuerte; Grant blieb kurz das Herz stehen, aber es war nur ein Warnschuss, die Kugel bohrte sich harmlos in den Sand. Die gewünschte Wirkung aber blieb nicht aus. Reed blieb zitternd stehen.
Der Mann mit der Waffe watete durchs Wasser auf Reed zu – als Grant nur noch wenige Meter entfernt war. Trotz der Dunkelheit bekam der Russe wohl etwas davon mit, denn er drehte sich halb um, aber zu spät. Grant warf sich hart gegen seinen Gegner. Die Pistole flog ihm aus der Hand und verschwand in der Brandung. Die beiden Männer rangelten am Rand des Wassers miteinander. Grant versuchte einen Haken zu platzieren, verfehlte sein Ziel jedoch knapp; er versuchte den Russen am Hals zu packen, aber der hielt ihn zu fest an sich gedrückt und zog ihn zu Boden. Salzwasser spritzte in ihre Gesichter, der
Weitere Kostenlose Bücher