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Der vergessene Tempel

Der vergessene Tempel

Titel: Der vergessene Tempel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Harper
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neben seinem Bett. «Mich würde interessieren, warum diese verdammten Russen überhaupt da aufgetaucht sind.»
    «Sie wollten das Täfelchen. Und fast hätten sie es auch bekommen.» Grant deutete zur Kommode, wo im Schein einer kleinen Lampe das Täfelchen auf einer Spitzendecke lag. «Ihr Element 61. Was auch immer das sein mag – die Jungs sind dahinter her. Was ist daran so besonders, dass beide Seiten, Amis und Sowjets, sich so dafür interessieren?»
    Muir warf ihm einen eisigen Blick zu. «Ich hab’s Ihnen doch schon gesagt: Ich soll es bloß auftreiben. Viel interessanter ist die Frage, wie die uns ausfindig gemacht haben.»
    Grant goss sich noch etwas Wein aus der halbleeren Flasche ein und stürzte ihn herunter. «In diesem Land herrscht gerade Bürgerkrieg, da wimmelt’s nur so von sowjetischen Militärberatern. Die halbe Bevölkerung unterstützt die Nationale Befreiungsfront, die EAM.»
    «Die Leichen, die wir versenkt haben, sahen nicht gerade nach Militärattachés aus, die sich im Dunkeln verirrt hatten. Die Kerle wussten genau, was sie wollten – wie Sie schon sagten –, und sie wussten, wo wir uns aufhielten. Vor zwei Tagen hatten wir selbst noch keine Ahnung, wo wir hinwollten. Irgendjemand hat es ihnen verraten. Und nach der verflixten Fünften Kolonne muss man hier im Zimmer nicht allzu lange suchen.»
    Die lastende Stille, die seinen Worten folgte, wurde von einem Lichtblitz und einem dumpfen Knall zerrissen, der durch den Hafen hallte. Grant schnellte herum, fuhr reflexhaft mit der Hand an die Hüfte. Aber es war nur eine Feuerwerksrakete, ein Vorbote der großen Knallerei, die um Mitternacht zur Feier des Ostersonntags einsetzen würde.
    «Schon lustig, wie diese Traditionen Eingang ins Christentum finden», sagte Reed. «Das ist eine so uralte Idee, böse Geister durch lauten Lärm zu vertreiben.»
    Seine Worte waren an niemand Spezielles gerichtet, und keiner erwiderte etwas. Marina starrte Muir an, mit sehr ähnlichem Gesichtsausdruck wie an dem Strand, als sie den Russen erschossen hatte. Nur dass Muir diesmal seine Waffe in weiser Voraussicht bei sich behielt. «Was wollen Sie damit sagen?», zischte sie durch gefletschte Zähne.
    «Dass es mir ziemlich merkwürdig vorkommt, dass Sie ausgerechnet dann einen Spaziergang gemacht haben, als die Russen bei uns auftauchten. Noch merkwürdiger finde ich es, dass Sie den letzten von denen umgelegt haben, bevor er uns irgendwas sagen konnte. Und dann ist da noch diese Kleinigkeit: Ihr lieber, dahingeschiedener Bruder.»
    «Er war kein Kommunist», fauchte Marina. «Er war Befreiungskämpfer.»
    «Er war eng verbandelt mit der Kommunistischen Partei Griechenlands.»
    «Weil die als Einzige gewillt war, den Widerstand gegen die Deutschen zu organisieren, während die anderen sich nur anbiedern wollten. Mit Stalin oder der Diktatur des Proletariats hatte Alexei nichts am Hut – er wollte bloß gegen die Nazis kämpfen.»
    «Und sobald die weg waren? Wer sollte dann die Macht übernehmen?»
    «Spielte das eine Rolle?» Brennender Hass sprach aus Marinas Gesicht. «Stalin oder Truman oder General Scobie – was macht das für einen Unterschied? Sie alle wollten sich doch bloß Griechenland unter den Nagel reißen.» Sie drehte sich halb zum Zimmer um, fixierte Grant, Muir und Reed mit zornig funkelnden Augen. «Es gibt da eine Legende, dass sich die Frauen von Lemnos einst zusammengetan und alle Männer auf der Insel auf einen Streich umgebracht haben. Vielleicht war das genau die richtige Idee.» Sie stürmte aus dem Zimmer und knallte die Tür hinter sich zu. Der Nachhall übertönte kurz sogar das beginnende Feuerwerk im Hafen.
    Muir riss ein Streichholz an. «Gut, dass wir die Hexe los sind.»
    Grant warf ihm einen angewiderten Blick zu. «Sie wissen genau, dass ihr Bruder kein Kommunist war.»
    «Im Vergleich zu Ihnen mit Sicherheit. Und sie hat irgendetwas zu verbergen.»
    «Sie ist einfach nur außer sich vor Wut. Die Sache mit ihrem Bruder ist noch nicht verheilt.»
    «Warum erzählen Sie ihr dann nicht die Wahrheit darüber? Ist da noch Wein in der Flasche?»
    Grant nahm die Flasche Moschato vom Tisch. Sie hatte kein Etikett, stammte aus dem Keller des Hotelinhabers und war völlig verstaubt. Er steckte den Korken auf den Hals und warf sie Muir quer durchs Zimmer zu. Sein Gesicht verzog sich vor Schmerz, als er sich vorreckte, um sie zu fangen.
    «Marina war Pembertons Assistentin, sie kennt sich mit Archäologie aus. Und sie kann in

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