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Der vergessene Tempel

Der vergessene Tempel

Titel: Der vergessene Tempel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Harper
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f›? Oder steht da ‹if› oder ‹of›? Oder liest Miss Papagiannopoulou das Zeichen richtig herum, und da steht ‹Pn› oder ‹Pr›? Vielleicht ist mir ja auch nur der Füller ausgerutscht. Die Minoer und Mykener haben ihr Alphabet nicht in Drucktypen übersetzt. Sie ritzten es mit Schilfrohr oder Stöckchen in feuchten Ton – möglicherweise in Hast oder während sie die Tafel auf dem Knie liegen hatten. Viele der Symbole sehen einander extrem ähnlich, selbst in ihrer perfekten Form. Um zu beurteilen, wo nun ein wirklicher Unterschied vorliegt oder bloß eine Abweichung in der Handschrift, müsste man so weise sein wie Salomo. Und das nur, um überhaupt an den Startpunkt zu gelangen.»
    Ein bedrücktes Schweigen senkte sich über den Tisch. Grant stocherte in seinem Essen herum, während Muir den langen Aschekegel an seiner Zigarette betrachtete.
    «Habe ich irgendwas verpasst?»
    Die Schwingtüren des Speisesaals flogen auf wie von einer Sturmbö getroffen. Ein großer, breitschultriger Mann kam zielstrebig zwischen den unbesetzten Tischen hindurch auf sie zu. Seine gesamte Erscheinung vermittelte einen schon aufdringlichen Eindruck von Gesundheit: die Tennisschuhe; der jungenhafte Haarschnitt; die weiße Hose und das oben offene weiße Hemd, das ebenso frisch gebügelt wirkte wie sein Lächeln. Auch ohne den Akzent gehört zu haben, hätte man ihn nur mit einem einzigen Wort beschreiben können: Amerikaner. Dass ihn vier Augenpaare entgeistert anstarrten, brachte ihn offenbar nicht aus der Ruhe; er strahlte über das ganze Gesicht.
    «Jackson», stellte er sich vor. «Marty Jackson.» Er schüttelte Marina herzhaft die Hand und wandte sich dann Reed zu. «Lassen Sie mich raten: Professor Reed. Ich habe alles über Ihre Bücher gelesen. Und Sie müssen Sam sein.»
    Er schnappte sich einen Stuhl vom Nebentisch, ließ ihn herumwirbeln und zwängte sich neben Marina und Grant.
    Grant sah Muir fragend an. «Stand schon etwas über uns in den Zeitungen?»
    Jackson winkte einen Kellner herbei und bestellte ein Bier. «Ist nie kalt genug in diesem verflixten Land», grummelte er, aber mit einem Lächeln. «Trotzdem, immer noch besser als der Wein. Wie ich höre, wird der hier aus Kiefernzapfen hergestellt. Glauben Sie das?»
    «Mr.   Jackson gehört zur alliierten Militärmission», sagte Muir. Eine dürre Erklärung, die völlig unzulänglich schien. «Er ist heute Morgen hier gelandet.»
    «Ja, um die Front gegen die Kommies zu halten. Haben Sie gehört, was Truman neulich gesagt hat? ‹Wir müssen freien Völkern dabei helfen, ihr eigenes Schicksal auf eigene Art und Weise zu gestalten.› Und genau deswegen bin ich hier.»
    «Sind Sie Army-Angehöriger?»
    «Nicht direkt.» Ganz kurz fiel das joviale Gebaren von ihm ab, und Grant witterte etwas wie kompromisslose Härte hinter dem sonnigen Grinsen. Dann kehrte das Lächeln zurück. «Aber ich schätze, wir gehören alle zum selben Team, nicht wahr?»
    «Mr.   Jackson …»
    «Sagen Sie ruhig Marty.»
    Muir verzog das Gesicht. «… ist schon länger mit uns wegen der Suche nach Element 61 in Kontakt.»
    «Wie ich höre, haben Sie schon Großes vollbracht.» Er stützte die Ellbogen auf den Tisch und lehnte sich mit ernster Miene vor. «Diese Höhle auf Lemnos – einfach unglaublich. Da wäre ich ja zu gern dabei gewesen.»
    Reed brummelte etwas vor sich hin, das eine Art Zustimmung zu signalisieren schien.
    «Aber jetzt müssen wir in der Sache einen Gang hochschalten. Den Geheimdiensten zufolge sind die Roten schon dahinter her wie die Juden hinterm Geld. Sie haben einen ihrer besten Männer darauf angesetzt – Oberst Kurchosow.» Er zog ein Foto aus der Hemdtasche und legte es auf den Tisch. Offenbar war es heimlich aufgenommen worden: Es war so unscharf und unterbelichtet, dass eigentlich nur ein Paar schmaler Wangenknochen, ein dünner Schnurrbart und Augen, die fast im Schatten der Schirmmütze verschwanden, zu erkennen waren. Grant fiel erst mit leichter Verzögerung auf, dass eins der Augen sogar fehlte und von einer schwarzen Augenklappe verdeckt wurde. «Das ist das einzige Foto, das wir von ihm haben, dafür wissen wir einiges über ihn. Hat sich in Stalingrad einen Namen gemacht – nicht im Kampf gegen die Nazis, sondern beim Liquidieren von Deserteuren. Das hat die Sowjets wohl tief beeindruckt; in Langley ist man der Ansicht, er ist der besondere Liebling von Onkel Joe.»
    Grant betrachtete das Bild. «Ich glaube, wir sind einigen seiner

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