Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der vergessene Tempel

Der vergessene Tempel

Titel: Der vergessene Tempel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Harper
Vom Netzwerk:
Er murmelte etwas von Muir und tauchte dann wieder hinter die sichere Brustwehr aus Büchern ab. Grant schlug seine Zeitung wieder auf.
    Eine willkommene Unterbrechung ergab sich, als an die Tür geklopft wurde. Es war die junge Frau, die zwei eselsohrige, mit Kordel zusammengebundene Aktenmappen aus Karton an sich drückte. Sie legte sie auf den Tisch vor Grant. Ein zarter Duft nach Rosenwasser und Lilien wehte ihn an, als sie sich über ihn beugte.
    «Das sind die Berichte aus Knossos aus den ersten Monaten des Jahres 1941, vor der Evakuierung der Mitarbeiter. Gilt Ihr Interesse irgendetwas Speziellem?»
    «Ich möchte wissen, ob Pemberton bei seinem letzten Besuch in Athen etwas gekauft hat.»
    Sie setzte sich neben ihn und blätterte langsam das Hauptbuch durch. Gegenüber am Tisch summte Reed vor sich hin und klopfte sich mit dem Bleistift gegen die Unterlippe.
    «Viel liegt über diesen Zeitraum nicht vor. Die Grabungssaison hatte noch nicht begonnen.» Sie warf ihm einen Blick von der Seite zu, offenbar unsicher, wie gut er sich mit Archäologie auskannte. «Ehrlich gesagt, weiß ich nicht recht, warum er auf Kreta geblieben ist.»
    Sie würden staunen , dachte Grant. Er beschränkte sich auf ein unverbindliches Brummen.
    «Hier ist etwas.» Ihr Ärmel streifte ihm über den Arm, als sie die Seite herabdrückte. «Fünfzig Pfund am 21. März. Daneben steht bloß ‹Ankauf fürs Museum›. Abgezeichnet vom Direktor.»
    «Steht auch dabei, wo er diesen Kauf getätigt hat?»
    Sie schnürte die zweite Mappe auf und brachte ein buntes Sammelsurium von abgeknipsten Zugfahrkarten, Coupons, Bedarfsformularen und Rechnungen zum Vorschein. «Das ist ein bisschen ungeordnet. Offenbar hatte man keine Zeit zur Ablage mehr, bevor die Deutschen kamen.» Sie nahm die Belege heraus und fing dann an, sie abzulegen wie ein Croupier. Trotz ihrer etwas lehrerinnenhaften Erscheinung waren ihre Fingernägel leuchtend rot lackiert. «Nein – nein – nein … Was ist das?»
    Sie legte einen cremeweißen, unzerknitterten Bogen Briefpapier auf den Belegstapel. Die Quittung war mit sattblauer Tinte geschrieben, sowohl in Englisch als auch in Griechisch. Spätminoische Tontafel (unvollständig), ungewisser Herkunft, 50 Britische Pfund . Der Briefkopf in schnörkeligen Lettern oben auf dem Blatt lautete: Elias Molho, Händler für antike Raritäten . Darunter war auch eine Adresse angegeben.
    «Das hat er nicht vom Flohmarkt.» Grant befühlte das geprägte Papier zwischen Zeigefinger und Daumen. «Wissen Sie, wo sich diese Adresse befindet?»

    Grant ließ Reed hinter seinem Bollwerk aus Büchern zurück und nahm einen Bus in die Altstadt. Einen Stadtplan hatte er zwar nicht, war aber wohlvertraut mit der griechischen Sitte, sich einfach von einem Zeitungsstand zum nächsten durchzufragen. Zunächst wurde ihm meist mit beiläufigem Nicken geantwortet, dann erhielt er zunehmend präzisere Auskünfte, wie bei einer Art menschlichem Sonar. Mit seiner Hilfe gelangte er bald in eine ruhige, ein wenig heruntergekommene Straße, gesäumt von Geschäften, die schon bessere Tage gesehen hatten. Viele der Häuser waren noch immer gesprenkelt mit Einschusslöchern, doch ob diese von Faschisten oder Kommunisten, Einheimischen oder Ausländern stammten, war für Grant unmöglich zu bestimmen. Selbst die Einheimischen hatten darüber wohl den Überblick verloren. Am Ende der Straße spielten einige Kinder mit einem Fußball, den sie immer wieder gegen eine Platane schossen, während ein mageres rotgetigertes Kätzchen auf den Stufen einer geschlossenen Bäckerei seinem eigenen Schwanz nachjagte. Ansonsten war die Straße menschenleer.
    Grant fand die auf der Quittung angegebene Adresse – das Haus Nummer dreiundzwanzig. Elias Molho, Händler für antike Raritäten , befand sich weiter dort, aber nur noch als Erinnerung in verblassten Buchstaben über dem Eingang, die man nicht übertüncht hatte. Im Laden selbst war jetzt eine Schneiderei. Grant stöhnte.
    Hinter sich hörte er das Geräusch rasch näher kommender Schritte. Er drehte sich um und sah einen Mann, der durch die leere Straße auf ihn zugespurtet kam. Zweierlei fiel Grant an ihm auf: Erstens war er barfuß, und zweitens hielt er eine, wie es schien, Wodkaflasche in der Hand, aus deren Hals ein Lappen hing. Grant griff reflexhaft nach seinem Webley, aber der Mann beachtete ihn kaum. Er rannte direkt an ihm vorbei und blieb nicht stehen.
    Die Kinder, die gerade noch fröhlich mit ihrem

Weitere Kostenlose Bücher