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Der vergessene Tempel

Der vergessene Tempel

Titel: Der vergessene Tempel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Harper
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Hotel einquartiert und es seitdem nicht wieder verlassen. Zimmer waren requiriert und ausgeschlachtet worden, das Mobiliar ausgetauscht, Wände und Trennwände niedergerissen und neu eingezogen, sodass aus einer ehemaligen Luxussuite ein beengtes Büro geworden war – wenn auch mit goldglänzender Tapete und Kristalllüster.
    Grant saß auf einem harten Holzstuhl. Er weckte unbehagliche Erinnerungen an den, auf dem er bei seiner ersten Begegnung mit Muir in Palästina gesessen hatte. Nur dass Muir jetzt wütend war. «Da draußen auf der Straße liegen zwei tote Russen rum, und alle, vom britischen Botschafter bis hin zu der verdammten Bibliothekarin, wollen wissen, wie es dazu gekommen ist.»
    Grant lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. «Das waren Russen?»
    «Na, sie können es uns wohl nicht mehr erzählen. Aber der Wagen war jedenfalls auf die Pontische Schifffahrtsgesellschaft zugelassen, das ist ein Tarngeschäft der sowjetischen Staatssicherheit hier in der Region. Auch Zigaretten, Kleingeld und das übrige Zeug, das die Männer in ihren Brieftaschen hatten, deuten in dieselbe Richtung.» Er bemerkte Grants erstaunten Gesichtsausdruck. «Warum? Dachten Sie, die wären von der Heilsarmee?»
    «Der Dieb – ihr Komplize – war Deutscher. Ich bin vor der Bibliothek mit ihm zusammengestoßen, bevor er sich mit der Tasche aus dem Staub gemacht hat.»
    «Ein Jammer, dass Sie ihn nicht auch erschossen haben. Können Sie ihn beschreiben?»
    «Blond, rotes Gesicht. Hager.» Grant zuckte die Schultern. «Ich würde ihn erkennen, wenn ich ihn wiedersähe.»
    Muirs Augen wurden schmal. «Tatsächlich?» Er zog eine dicke Akte aus seiner Tasche, blätterte darin und reichte Grant dann ein Bild. «Wie steht es mit dem hier?»
    Es war eine gute, scharfe Fotografie; kein Schnappschuss, sondern ein gestelltes Bild. Das machte es aber keineswegs attraktiver. Ein Mann in Pluderhose und Reitstiefeln stand auf einem kleinen Hügel aus Erde und Schutt, eine Hand auf einen Spaten gestützt, der im Boden steckte – die Pose eines Eroberers, der auf den Mauern der besiegten Stadt seine Fahne hisst. Er war jünger, kräftiger und sah gesünder aus als der Mann, dem Grant am Eingang zur Bibliothek begegnet war, doch etwas an dem Gesicht, das stolz in die Kamera grinste, war unverkennbar.
    «Eindeutig derselbe Mann. Wer ist das?»
    «Klaus Belzig. Archäologe, Nazi und ein Schwein durch und durch. Die Akte ist heute Morgen mit der Diplomatenpost reingekommen.»
    «Sie sagten, dass er 1945 aus Berlin verschwunden ist.» Grants Verstand arbeitete schnell. «Wenn die Männer, die mit ihm im Auto saßen, Russen waren …»
    «… dann müssen sie ihn in Sibirien ausgegraben, aufgetaut und hergebracht haben, damit er ihnen bei der Jagd hilft. Die wissen genau, wonach sie suchen.»
    «Belzig war derjenige, der die Tontafel gefunden hat.»
    «Und jetzt hat er sie sich zurückgeholt.»
    Der Gedanke an die Tontafel bereitete Grant plötzliches Unbehagen. Es war zunächst nur ein vages Gefühl, das er sich selbst nicht recht erklären konnte. Ehe er Zeit hatte, sich darüber den Kopf zu zerbrechen, sprach Muir bereits weiter. «Es könnte schlimmer sein. Reed sagt, er hat die Inschrift auf der Tafel bereits kopiert. Wenn er sie nicht entziffern kann, nehme ich an, können die es auch nicht.»
    Die andere Hälfte. Mit einem Schlag begriff Grant, was ihn beunruhigt hatte, und ihm wurde flau. «Molho hat Belzig nie verraten, dass er die Tafel zerbrochen hat. Belzig dachte, Pemberton hätte die ganze besessen.»
    «Und?»
    «Und jetzt, nachdem er es weiß, wird er Jagd auf Molho machen.»
    Muir ging mit schnellen Schritten in den Vorraum hinaus und riss den Telefonhörer von der Gabel. «Hotel Eurydike», verlangte er. Während er darauf wartete, dass die Verbindung hergestellt wurde, trommelte er mit den Fingern auf die Tischplatte. Dann winkte er Grant zu sich und drückte ihm den Hörer in die Hand. «Übernehmen Sie das. Sie sprechen die Sprache.»
    Grant nahm den Hörer. «Hier spricht Mr.   Grant, Zimmer dreißig. Hat jemand eine Nachricht für mich hinterlassen?»
    «Einen Moment bitte.»
    Grant hielt die Sprechmuschel mit einer Hand zu. «Haben Sie und Jackson heute Morgen Molhos Club ausfindig gemacht?»
    Muir nickte. «Aber es war keiner da. Alles abgesperrt, vergittert, die Läden geschlossen. Jackson hat einen seiner Männer dort postiert –»
    Grant gab ihm ein Zeichen, er solle still sein, denn gerade

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