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Der vergessene Turm: Roman (German Edition)

Der vergessene Turm: Roman (German Edition)

Titel: Der vergessene Turm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert M. Talmar
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unerlaubt lange von der Vogtey entfernt. Ich habe ihm ein paar Tage frei gegeben, um seine Familie zu besuchen. Ein paar Tage. Also zwei, oder bestenfalls drei. Aber nein. Was macht er? Jetzt ist er fast eine Woche fortgeblieben, ohne eine Nachricht zu schicken.
    Zum Zweiten: Er hat seinen Landhüterstab verloren. Und das gibt es bei mir nicht, ehrenwerter Herr! Der Stab war Eigentum der Vogtey und ist mit Geldern aus dem Hüggellandschatz bezahlt worden. Und auch wenn es sich dabei nur um einige wenige Twelter handelt: Verschwendung dulde ich nicht!
    Und damit nicht genug: Er hat seinen Landhüterhut verschlampt, das Abzeichen seiner Landhüterschaft und Hoheitszeichen meiner Vogtey und Würdesiegel unseres verehrten Bürgermeisters! Mit solcherart Schlamperei tritt er das Ansehen des Schöffen wie des Gauvogts in den Schmutz, und irgendwo hat alles seine Grenzen! Zum Dritten!« Er hatte sich in Zorn geredet und sah jetzt Ludowig kampfeslustig an.
    »Damit hast du deine Meinung verkündet, Herr Gauvogt«, antwortete Ludowig. »Und nebenbei gesagt so laut, dass wir alle es verstanden haben, selbst Taddarig mit seinen altgedienten Ohren. Hast du Mellow wenigstens gefragt, wie es dazu kam, dass er Hut und Stab verlor?«
    »Wozu?«, fauchte Gesslo giftig zurück. »Er hatte sie nicht bei sich. Das reicht mir vollständig!«
    »BEI AMAN!«, rief in diesem Moment Circendil aus. Alle Köpfe fuhren zu ihm herum.
    Der Davenamedhir erhob sich von seinem Hocker und überragte selbst die Laternen, die in einer langen Reihe an der Decke hingen.
    »Genug!«, rief er. »Jawohl   – genug! Das ist das einzig richtige Wort dafür, wenn sich erwachsene Vahits aufführen wie zankende Kinder. Ich kann nicht glauben, was ich hier sehe und höre, und es zu verstehen, dafür reicht meine Weisheit nicht aus. Wenn das eure Lebensart ist, den zu bestrafen, dem ihr alle womöglich euer Leben verdankt, verdient ihr kein besseres Schicksal als das, was kaum vierzig Meilen von hier im Osten droht! Landhüterhut! Landhüterstab! Landhütergewäsch!«, donnerte er. »Nämlich das verbreitet Ihr, Herr Gauvogt, nichts weiter! Wie könnt Ihr jemanden verurteilen, ohne seine Stimme zuvor zu hören?«
    Er ging um den Tisch herum und blieb wie ein Baum aufragend vor Gesslo stehen.
    »Der Stab rettete drei Vahits das Leben!«, schleuderte er ihm entgegen. Etwas ruhiger fuhr er fort: »Indem er dort verblieb, wo er gebraucht wurde. Macht sich das für Euch bezahlt? Wenn Euch schon der Verlust eines Holzstücks solch arge Kopfzerbrechen bereitet, wie hoch bemesst Ihr dann diesen Wert? Das Leben dreier Vahits! Nun kommt schon, sagt es! Einen Twelter? Oder gar zwei?   – Ihr schweigt, und das zu Recht! Und ferner lasst Euch sagen: Der Hut ging verloren, als man Mellow und den jungen Herrn Finn hier zur Schlachtbank zu führen gedachte! In Gefangenschaft und den sicheren Tod vor Augen! Wäre es Euch lieber gewesen, der Hut wäre zurückgekommen? Anstatt des lebendigen Kopfes dessen, der ihn trug?«
    Circendil streckte den Arm aus und deutete auf den Gauvogt. Der wich bis ganz zur Lehne seines Stuhls zurück, als könne der auf ihn zeigende Finger ihn durchbohren.
    Die grünen Augen des Mönches funkelten. »Ich schäme mich für Euch. Und das, obwohl ich fremd bin in diesem Land. DasSchlimmste aber ist: Seitdem ich Mellow kenne, und das ist erst einen Tag lang der Fall, hat er Euren Namen, Herr Gesslo, mehrfach genannt, und dabei stets voller Ehrfurcht und Hochachtung. Und er war stolz darauf, in Eurem Dienst zu stehen. Dabei wäre es an Euch, auf ihn stolz zu sein   – falls Ihr so etwas überhaupt vermögt! Ihr fürchtet Schande für die Vogtey? Wenn das, was Mellow getan hat, Euch in den Schmutz zieht, so fangt zunächst bei Euch selber mit dem Reinemachen an! Ihr habt lange keinen Stalldienst mehr verrichtet, nehme ich an!«
    Betretenes Schweigen begleitete ihn, als Circendil zu seinem Platz zurückging und sich geräuschvoll setzte. Noch nie hatte es jemand gewagt, so mit einem Gauvogt zu sprechen. Gesslo saß kreidebleich da und schluckte schwer.
    »Aber …«, hob der Gescholtene an, doch der Vahogathmáhir legte ihm die Hand auf den Arm. »Es reicht jetzt, Gesslo«, sagte Wredian leise. »Kein Aber mehr, am besten kein Wort.«
    In diesem Moment führte der Gildendiener Mellow in den Lesesaal, und Ludowig winkte ihn an seine Seite. Tuom brachte einen weiteren Stuhl, und Mellow setzte sich neben Circendil. Er hatte Schmutz an den Schuhen, roch

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