Der Vergessene
Keine Splitter und so.«
»Die sind nach innen gefallen.«
»Wie soll denn ein Einbrecher an der Hauswand hochgekommen sein? Wir haben keine Leiter gesehen.«
»Ist Mr. Elam denn zu Hause?«
»Das weiß ich nicht.«
»Verdammt, ich bin beunruhigt. Meine Frau hat an der Wohnungstür gelauscht.«
»Und? Hat sie etwas gehört?«
»Nein.«
»Eben.«
»Damit kann ich mich nicht zufrieden geben. Man sollte die Polizei rufen.«
»Tun Sie das, wenn Sie sich lächerlich machen wollen.«
»Wieso lächerlich? Meine Frau hat auch die dumpfen Geräusche aus der Wohnung gehört. Als hätte jemand immer wieder etwas gegen den Boden geschlagen.«
»So blöde wird doch kein Einbrecher sein, verflucht.«
»Weiß man's?«
»Ach, hören Sie auf. Ich für meinen Teil gehe wieder rein. Der Tag morgen ist verdammt anstrengend.«
»Wie Sie meinen.«
»Und das mit der Polizei würde ich mir an Ihrer Stelle noch mal überlegen.«
»Wie gut, dass Sie nicht an meiner Stelle sind.«
»Ach, werden Sie doch nicht kindisch.«
Das Gespräch, das zum Schluß immer schärfer geführt worden war, versiegte. Eine Tür schlug zu, dann war es wieder still.
Die einsame Gestalt hatte alles gehört, und dafür war sie sogar dankbar. Sie hatte sich im Schatten des Vorgartens aufgehalten und war nicht gesehen worden. Aber sie wusste jetzt Bescheid. Zwei Häuser weiter war es passiert. Und wie es aussah, hatte Kamuel einen etwas unorthodoxen Weg benutzt, um an sein Ziel zu gelangen. Aber das war man von ihm gewohnt.
Der Einsame ging weiter. Er kannte jetzt sein Ziel und beschleunigte die Schritte. Sogar ein Lächeln hatte sich auf seine vollen Lippen gelegt, und in seinen Augen war die Freude über den ersten Erfolg zu lesen.
Als er den entsprechenden Vorgarten erreicht hatte, übersprang er eine hinderliche Ecke mit einer eleganten Bewegung und landete auf dem weichen Boden. Er schob sich noch etwas vor und durch die Lücke zwischen zwei Sträuchern. An der Hauswand blieb er stehen und schaute an der Fassade hoch.
Sein Ziel lag in der ersten Etage. Dort war das Fenster zerstört worden, in der Tat waren nur wenige Glasscherben nach unten auf den Boden gefallen. Vor ihm steckten einige im Boden fest, aber das meiste war nach innen gefallen. Der Einsame überstieg die Scherben. Auf dem weichen Boden waren seine Schritte nicht zu hören. Etwa zwei Meter vor der Hauswand blieb er stehen und schaute in die Höhe.
Bisher war er ruhig gewesen. Auch wenn die Ruhe nur gespielt war.
Das änderte sich. Es hing allein damit zusammen, dass er die Nähe des anderen spürte. Er sah ihn nicht, aber für ihn war er so schrecklich präsent. Der nächtliche Besucher bewegte den Mund, ohne zu sprechen.
Dabei schloss er auch die Augen und sorgte dafür, dass seine eigenen Kräfte bis an die Grenze der Belastbarkeit mobilisiert wurden.
Er wusste, dass er etwas Besonderes war. Er musste seine Kräfte zum Wohl anderer einsetzen, das hatte er sich vorgenommen. Den Weg, der ursprünglich für ihn vorbereitet worden war, wollte er nicht gehen.
Er legte seinen Kopf in den Nacken, ohne dabei die Augen zu öffnen.
Mit geschlossenen Augen ›schaute‹ er an der Fassade hoch, um die Ausstrahlung so intensiv wie möglich wahrnehmen zu können.
Es klappte. Es war so wunderbar. Nach dem letzten Zittern der Anstrengung fühlte er sich plötzlich leicht und locker. Es war für ihn kaum zu spüren, dass er den Kontakt mit dem Boden verloren hatte und außen an der Hauswand langsam in die Höhe schwebte. Die Arme hatte er dicht an den Körper gedrückt, denn er brauchte seine Hände nicht, um sich festzuhalten. Es war eine geheimnisvolle Kraft, die ihn weiter in die Höhe und damit auch seinem Ziel entgegentrieb. Das zerstörte Fenster im ersten Stock!
Wie von einem Band gezogen schwebte er weiter. Er passierte das untere Fenster, die Hauswand, und es dauerte nicht lange, bis er sein Ziel erreichte.
Jetzt stand er davor. Für einen Beobachter musste es aussehen, als hätten seine Füße auf einem Sims oder Brett sicheren Halt gefunden.
Aber er schwebte einfach nur in der Luft - und öffnete seine Augen. Der erste Blick in das Zimmer.
Sie kämpften. Er hörte sie keuchen. Er sah drei Personen. Er kannte sie alle. Und der Engel verzichtete auf sein Schwert. Er verließ sich auf seine eigenen Kräfte und auf das in seinem Mund lodernde Feuer. Der Mensch hatte gegen ihn keine Chance, auch nicht, wenn er John Sinclair hieß. Er hatte es versucht, das stimmte schon,
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