Der Vergessene
gewesen, aufzustehen und das Lokal zu verlassen. Er tat es nicht und blieb sitzen.
Inzwischen hatte sich der Neue von der Theke abgewandt. Er suchte nach einem Platz. Und wieder war kaum ein Laut zu hören, als er die Füße aufsetzte. Er war gefährlich in seiner Ruhe, aber er war auch so etwas wie eine Zeitbombe auf zwei Beinen, die im nächsten Augenblick explodieren konnte.
Elams Tisch war auch sein Ziel. Er ging nicht schneller, sondern schon mit einer provozierenden Gelassenheit. Locker und trotzdem wachsam.
Um andere Gäste kümmerte er sich nicht, er hatte nur Interesse für Sam Elam und schien ihn mit seinem Blick auf den Stuhl bannen zu wollen.
Plötzlich stand er vor Elams Tisch. Ein Stuhl war frei. Der Fremde legte besitzergreifend die Hand auf die Lehne. Sam kam nicht dazu, ihm zu sagen, dass er seine Ruhe haben wollte. Der andere würde es nicht akzeptieren.
»Hallo …«
Er hatte gesprochen. Das erste Wort. Seine Stimme vibrierte leicht, als hätten sich zwei Echos gefangen. Sie klang metallisch, nicht warm.
Wenn einer wie er sprach, dann duldete er überhaupt keinen Widerspruch. Sam schaute zu, wie die nervige Hand den Stuhl locker nach hinten zog, damit sich der Neue Platz schaffen konnte. Er ließ sich nieder. Nicht schnell, nicht hastig, er setzte sich normal hin und schickte Elam ein Lächeln.
Sam Elam fühlte sich unwohl. Er kam sich innerhalb der Kneipe wie ein Gefangener vor. Es gab nur die beiden Stühle, den Tisch und sie zwei. Alles andere war in den Hintergrund geschoben worden, eingehüllt in schwaches Licht und graue Schatten.
Plötzlich stand der Wirt bei ihnen. Sam hatte ihn nicht gehört. Er war vorn Anblick des anderen einfach zu stark gefangen gewesen.
»Was darf ich Ihnen bringen?«
Der Fremde schaute kurz hoch. »Sie haben Wasser?« Der Satz glich mehr einer Feststellung als einer Frage.
»Ja.«
»Dann hätte ich gern eine Flasche.«
»Sofort.«
Als Charlie verschwunden war, deutete der Neue auf Sams Glas. »Bier ist nicht gut. Wer zuviel davon trinkt, kann nicht mehr klar denken, aber das weißt du ja.« Er lächelte Sam kurz an, der sich immer unwohler fühlte. Es gefiel ihm nicht, wie der andere ihn angesprochen hatte. Die Sätze hatten sehr vertraut geklungen, wie bei Menschen, die sich schon länger kannten.
Das wiederum machte Sam nervös. Der andere war fremd, das stand für ihn fest. Trotzdem sah er ihn nicht als zu fremd an. Da gab es etwas, das er sich nicht erklären konnte. Dieser Fremde hatte etwas an sich, das ein Band zwischen ihnen schloss. Es gab eine Gemeinsamkeit, die beide Männer festhielt, aber nur der andere schien zu wissen, was es genau war. Sam kam damit nicht zurecht. Er spürte nur, dass beide gleich waren, und zugleich hatte er den Eindruck, dass er nun gefunden worden war. Von einer Person, die ihn schon lange gesucht hatte.
Charlie brachte das Wasser. »Bitte sehr.« Er schenkte aus der Flasche in das Glas ein. Das dabei entstehende Geräusch kam Sam Elam überlaut vor. Er hörte das Gluckern und das leise Zischen, sah die Bläschen und schaute zu, wie sich das Glas füllte. Erst als sich der Wirt zurückgezogen hatte, fasste der Fremde nach seinem Glas. Er hob es an und prostete Sam Elam zu.
Der tat nichts. Es hätte sich gehört, diesen Trinkspruch zu erwidern, doch er tat nichts. Nur dieses starre Sitzen, etwas anderes war ihm nicht möglich.
Der Neue trank langsam und genussvoll. Sein Gesicht entspannte sich dabei für einen Moment. Er setzte das Glas erst ab, als er es bis auf den letzten Tropfen leergetrunken hatte. Dann war er wieder in der Lage, sich um Elam zu kümmern.
Er sprach nicht und schaute Sam nur an. Zum erstenmal sah Elam die Augen des anderen aus der Nähe. Nein, sie waren nicht so dunkel, wie er angenommen hatte. Dieser Mensch besaß besondere Augen. Hell und klar, aber anders als bei normalen Menschen. Dieser Blick wirkte durchdringend, obwohl er etwas Gläsernes an sich hatte. Elam konnte sich vorstellen, dass hinter dem Augenpaar etwas lauerte, vor dem man Furcht bekommen konnte.
»Du bist Sam Elam, nicht?«
Er nickte.
»Ja, ich weiß. Ich habe lange gesucht, aber nun habe ich dich gefunden, denn du weißt genau, dass du dich nicht verstecken kannst, mein Lieber.«
Sam schüttelte den Kopf. »Verstecken? Wieso nicht? Wieso kann ich mich nicht verstecken?«
»Nicht für immer.«
»Das verstehe ich nicht. Woher kennen Sie überhaupt meinen Namen, verdammt?«
Der andere lachte. Leicht keuchend. »Du
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