Der Vergessene
ihnen. Sie allein konnten es spüren, aber die meisten sind Ignoranten, weil ihnen der Sinn für alles andere und Fremde verloren ging.«
Elam wusste nicht, was er sagen sollte. Aber die Erinnerung drängte sich in ihm hoch. Sein Leben lief etappenweise vor seinem geistigen Auge ab. Er dachte an seine Einsamkeit. Er war nicht fähig gewesen, mit einer Frau eine Lebensgemeinschaft einzugehen. Er dachte auch an seine Träume, in denen er ein anderer gewesen war. Mächtig auf eine bestimmte Art und Weise. Einer, der zwischen Himmel und Erde pendelte und dem sich Welten geöffnet hatten.
»Nun…?«
Elam nickte. »Ich glaube, dass ich es weiß. Ja, ich bin nicht so normal wie andere Menschen. Ich habe schon verstanden, denn ich bin und gehöre zu denen, die…«
»Sprich es nicht aus, mein Freund. Es ist gut, dass du dich jetzt damit abgefunden hast. Aber du bist noch zu stark verkrustet. Innerlich meine ich. Du solltest dich öffnen. Ich will auch, dass sich andere öffnen. Alles soll seinen richtigen Weg gehen, damit ich meine Dankbarkeit erweisen kann.«
Elam hatte eine trockene Kehle bekommen. Es fiel ihm schwer, etwas zu sagen, deshalb trank er hastig einen Schluck Bier, auch wenn es mittlerweile warm geworden war. »Was meinst du denn damit?« flüsterte er. »Einen neuen Weg gehen und…«
»Den ganz neuen. Alles andere hinter sich lassen. Den sogenannten Alltag.«
Sam schluckte. Er fühlte sich nicht mehr frei. Er war in die unsichtbare Falle des anderen geraten, die er wie ein Netz spürte. Es hatte auch keinen Sinn, jetzt aufzustehen und so etwas wie eine Flucht zu versuchen. Hier war sein Leben auf den Kopf gestellt worden. Kamuel war eben anders. Er gehörte zu denen, die eine große Stärke mitbrachten, die weit über der eines normalen Menschen lag. Und ein Mensch war er nur äußerlich. Im Innern dachte er anders. Das musste einfach so sein. Elam hörte sich sprechen, und seine Stimme kam ihm fremd vor. »Wie hast du dir das vorgestellt?«
Kamuel schüttelte den Kopf. »Was sprichst du da? Das alles hört sich unsicher an. Zu sehr nach Mensch. Das bist du nur äußerlich. Wir sind eine besondere Gruppe, verstehst du? Wir dürfen zwar aussehen wie Menschen, doch in unserem Innern denken wir ganz anders und handeln auch entsprechend.« Kamuel hob seinen Stuhl etwas an und rückte näher an Sam. Der blieb sitzen. Starr, den Blick nach vorn gerichtet. Er saß noch immer im Corner. Er hörte die Stimmen, er sah die Menschen durch den Qualm, aber in Wirklichkeit kam er sich so schrecklich weit von den Dingen des normalen Alltags entfernt vor.
Kamuel lachte mit geschlossenem Mund, bevor er seine Hand ausstreckte und sie auf die des anderen legte. Sam zuckte zusammen, aber er nahm die eigenen Hände nicht zurück. Wie ein völlig vereister Mensch blieb er sitzen.
Kamuel sagte nichts mehr. Er hielt Elam nur fest und beobachtete ihn intensiv von der Seite her. Er forschte in Elams Gesicht wie jemand, der unbedingt eine Veränderung herausfinden wollte.
Sam tat nichts. Er konzentrierte sich auf die Berührung. Kamuels Hand war schwer und trotzdem leicht. Sie hatte es geschafft, die Verbindung zwischen ihnen noch mehr zu intensivieren. Sam Elam merkte, dass ihm sein eigentliches Leben immer mehr entrissen wurde.
Es war nur in Teilen vorhanden, in Fragmenten, die zu allen Seiten hin wegdrifteten. Er ärgerte sich über seinen roten Kopf. Zugleich jedoch fühlte er sich von Kamuel immer stärker angezogen. Die Gemeinsamkeit zwischen ihnen war vorhanden, und sie baute sich immer stärker auf. Irgendwann würde das Band so fest sein, dass es nichts mehr gab, was es zerreißen konnte.
»Schau mich an, Sam.«
Leise gesprochene Worte. Keine Bitte, mehr ein Befehl, dem Elam auch nachkam. Er drehte den Kopf, er sah das Gesicht des anderen dicht vor sich und besonders die Augen des Mannes, deren Blicke sich an seinem Gesicht festfraßen.
»Der Weg ist für uns frei. Ich habe etwas in dir geweckt. Ich bin es, der befiehlt.«
Sam wusste nicht, ob er nicken oder den Kopf schütteln sollte. Noch immer war ihm alles so schrecklich fremd. Er fühlte sich wie jemand, der ins Wasser geworfen worden war, ohne schwimmen zu können.
Aber der Sog riss ihn mit. Er wollte ihn einfach nicht loslassen, und dieser Sog hatte einen Namen.
Aus längst vergessener und vergangener Zeit hatte er sich an die Oberfläche gedreht und die Gegenwart auf den Kopf gestellt. Sam wollte es nicht akzeptieren. Er suchte bereits nach Worten, um
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