Der verhängnisvolle Urlaub
Antwortspiel.
Ist denn das die Möglichkeit? dachte Peter Krahn. Gibt's denn das? Wer bin ich denn plötzlich? Ein ganz anderer? Noch vor einer halben Stunde, wenn mir einer erzählt hätte, daß das möglich ist, was mit mir hier vorzugehen scheint, hätte ich ihn nur ausgelacht. Und jetzt …?
Ganz Ähnliches ging Heidrun durch den Kopf. (Oder sollte man hier nicht besser sagen: durch das Herz?)
Aus einem der unteren Räume drang eine Stimme und schreckte die beiden auf: »Heidrun!«
»Ja, Mutti?«
»Du wolltest doch morgen dein Zimmer räumen. Fang damit am besten heute schon an. Deine Sachen müssen doch alle raus.«
Karin gab darauf keine Antwort. Unter Peters Blick errötete sie rasch und heftig. Mutter Feddersen glaubte anscheinend, ihren Vorschlag dringlich genug gemacht zu haben, denn man hörte von ihr nichts mehr.
»Sie wollten also Ihr Zimmer räumen?« sagte Peter zu Heidrun.
»Nicht für Sie«, erklärte Heidrun wahrheitsgemäß.
»Nein, nicht für mich«, nickte Peter. »Für die Dame aus Bremen, nehme ich an.«
»Ja.«
»Damit deren Zimmer ich behalten kann.«
»Das Ganze ist ja nun gar nicht mehr notwendig.«
»Warum nicht?«
»Weil Sie doch abreisen.«
»Nein.«
»Nein?« Das war ein kleiner Jubelruf aus Heidruns Mund.
»Das heißt … ich weiß es noch nicht … es besteht die Möglichkeit …«
Er unterbrach sich: »Sagten Sie nicht, daß jemand seine Zimmerbestellung abgesagt hat?«
»Sagte ich das?«
»Ja, ich glaube mich daran zu erinnern, daß Sie das sagten.«
»Ich kann mich aber nicht daran erinnern.«
Das Telefon läutete. Man hörte es aus dem Zimmer, aus welchem auch die Stimme von Frau Feddersen gekommen war. Frau Feddersen hob ab und sagte in Abständen: »Guten Tag, Herr Harder … Danke, und Ihnen? … Wir sehen uns ja morgen, nicht? … Nein? Warum nicht? … Ach Gott, das tut mir aber leid, Sie sind mit dem Fahrrad gestürzt, dabei soll Radfahren jetzt so gesund sein, sagen Sie und alle Leute … Da kann man mal wieder sehen, nicht? … Lassen Sie sich deshalb keine grauen Haare wachsen, Herr Harder, wir sind voll, Ihr Zimmer steht Ihnen dann später zur Verfügung … Ja … Ja … Ganz bestimmt, ja … Rufen Sie uns an, wenn Sie wieder auf dem Damm sind, ja? … Wiedersehen, Herr Harder, gute Besserung.«
Man hörte, wie Frau Feddersen auflegte. Nun konnten Heidrun und Peter auf dem Flur ihr Gespräch wieder ungestört fortsetzen.
»Jetzt erinnere ich mich«, sagte Heidrun.
»An was?« fragte Peter.
»Daran, daß jemand seine Zimmerbestellung rückgängig gemacht hat.«
»Heidrun!« rief Frau Feddersen.
»Ja?«
»Du kannst deine Sachen lassen, wo sie sind. Der Herr Harder aus Hannover kommt nicht.«
»Ist gut, Mutti.«
»Wo steckst du eigentlich? Ich brauche dich.«
»Gleich komme ich.«
Heidrun blickte Peter an, der den Kopf schüttelte.
»Alles klar«, meinte sie. »Sie hörten es selbst: Es hat jemand abgesagt, wie ich es Ihnen mitteilte. Nur mein Erinnerungsvermögen war ganz kurz gestört.«
Peter schüttelte den Kopf noch stärker.
»Darüber sprechen wir noch«, entgegnete er mit gespielter Strenge. »Jetzt müssen Sie zu Ihrer Mutter, das rettet Sie im Moment.«
Das Kurhaus erstrahlte im vollen Lichterglanz. Fast alle Plätze waren schon besetzt. Niemand wollte den ›Ball der Miß Nickeroog‹ versäumen, der darauf angelegt war, zum Höhepunkt der Saison zu werden. Die Menschen waren festlich gekleidet, wie schon bei der Wahl, und erhofften sich einen aus dem Rahmen fallenden Abend, der es ihnen ermöglichen würde, ihn den Bekannten zu Hause in den glühendsten Farben zu schildern, um ihren Neid zu erregen.
Peter Krahn gab die Suche nach einem freien Stuhl bald auf. Entdeckte er einen und steuerte er auf denselben zu, wurde ihm regelmäßig gesagt: »Schon besetzt, tut uns leid.«
Jemand rief ihn: »Herr Krahn!«
Franz Joseph Biechler. Er saß inmitten einer Gesellschaft an einem vollen Tisch nahe der Treppe hinunter zur Bar. Peter nickte grüßend und fragte ihn per Zeichensprache, ob er einen Platz habe. Der Münchner schüttelte auch bedauernd den Kopf, erhob sich jedoch und kam, sich durch Stühle und Tische zwängend, auf ihn zu.
Händeschüttelnd begrüßten sich die beiden.
»Sie sind zu spät dran«, sagte Biechler.
»Verrückter Betrieb«, meinte, herumblickend, Krahn.
»Alle wollen dieses Prachtweib sehen.«
»Die Schönheitskönigin?«
»Natürlich.«
»Sie auch?«
»Freilich«, lachte Biechler. »Der Anblick
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