Der verhängnisvolle Urlaub
immer wieder huldvoll die Hand hob, blitzte das goldene Krönchen, das man ihr schon bei ihrer Wahl aufgesetzt hatte.
»Ich kann das nicht mehr sehen«, knurrte der Unbekannte.
»Mir reicht's auch«, pflichtete Peter Krahn bei.
»Ich mache Ihnen einen Vorschlag: Gehen wir in die Bar und trinken gemeinsam einen Schluck auf unsere unverkennbare Seelenverwandtschaft. Einverstanden?«
An der Theke kamen sich die beiden rasch näher. Natürlich blieb es nicht bei einem Schluck. Das Gespräch kreiste meistens um die gleiche Person.
Peter Krahn sagte: »Die ist verrückt.«
»Wer?«
»Die Karin.«
»Meinen Sie die?«
Der Unbekannte zeigte dabei mit dem Daumen empor zur Decke, über der eine Etage höher die ›Miß Nickeroog‹ auf ihrem Thronsessel residierte.
»Ja, die«, erwiderte Krahn.
»Das ist sie«, nickte der Fremde.
»Zu Hause ist die ganz anders.«
»Wo zu Hause?«
»Bei uns in Düsseldorf.«
Das schlug bei dem Mann mit der Nelke ein wie eine kleine Bombe.
»Kennen Sie die etwa?«
»Von klein auf.«
»Das sagen Sie jetzt erst?!«
»Ihr Vater hätte mich sogar gern als Schwiegersohn.«
Der Unbekannte zuckte etwas zurück.
»Das soll er sich mal aus dem Kopf schlagen. Die paßt nicht zu Ihnen.«
»Meinen Sie?«
»Ganz bestimmt nicht. Sie sagen doch selbst, daß sie verrückt ist.«
Peter Krahn war schon beim dritten Klaren angelangt, zu dem er von dem Fremden ermuntert wurde.
»Wer sie am ehesten wieder auf Vordermann bringen kann, ist ihr Vater. Der würde ihr den Hintern versohlen, wenn er hier wäre«, sagte Peter.
»Ein prachtvoller Mensch, scheint mir.«
»Das Gegenteil von seiner Frau.«
»Kennen Sie die auch?«
»Nur zu gut. Die spinnt total, und zwar von jeher, nicht nur ausnahmsweise, wie die Karin, die ich holen soll.«
»Holen?«
»Dazu bin ich hergeschickt worden.«
»Das müssen Sie mir erzählen. Das interessiert mich. Sie müssen mir überhaupt alles erzählen, was mit dieser Familie zusammenhängt.«
Dagegen sträubte sich aber Peter Krahn noch. Er könne sich gar nicht vorstellen, daß einen Fremden das wirklich interessiere, erklärte er; außerdem wolle er nicht indiskret sein, setzte er hinzu und schlug vor: »Sprechen wir von etwas anderem.«
Der Nelken-Mann ließ einen vierten Klaren auffahren.
»Prost, Herr …«
»Krahn. Peter Krahn.«
»Angenehm. – Torgau. Walter Torgau.«
»Ich bin Ihnen schon um zwei voraus.«
»Sie irren sich, wir liegen gleichauf.«
»Nee, nee, ich kann doch zählen.«
»Sie sind also hergeschickt worden, um Karin zu holen. Von wem?«
»Von ihrem Vater«, erwiderte Peter. »Aber ich sage Ihnen doch, daß das für Sie uninteressant ist. Unterhalten wir uns lieber über Fußball. Wer wird Deutscher Meister?«
Also immer noch keine Bereitschaft zur Indiskretion auf Seiten Krahns. Aber lange hielt er nicht mehr stand.
Beim fünften Schnaps löste sich seine Zunge, und er erzählte alles, was der Mann mit der Nelke von ihm erfahren wollte.
Paul und Mimmi Fabrici saßen im Wohnzimmer ihres Hauses in Düsseldorf und führten ein kleines Streitgespräch. Der Grundstein dazu war gelegt worden, als Paul gesagt hatte: »Ich möchte nur wissen, warum wir von Peter nichts hören. Der müßte doch die Sache dort längst im Griff haben.«
Mimmi äußerte nichts, sie lächelte nur still vor sich hin.
»Was gibt's da zu grinsen?« fragte er sie grob.
»Darf ich mich nicht freuen?«
»Über was?«
»Über meine Tochter.«
»Unsere Tochter, meinst du wohl?«
»Sie wird, scheint mir, ganz schön fertig mit dem. Das hast du wohl nicht erwartet, was?«
»Erwartet habe ich, daß der sich als Mann entpuppt und nicht als Schlappschwanz.«
»Was will er denn machen gegen Karins kalte Schulter, wenn sie sie ihm zeigt?«
»Morgen rufe ich ihn an, falls sich noch nichts gerührt haben sollte.«
»Hast du seine Nummer?«
»Die erfahre ich von seinem Vater.«
»Hoffentlich.«
Mimmi sagte dies in einem gewissen Ton, der untrüglich darauf schließen ließ, daß sie das genaue Gegenteil erhoffte.
»Warum soll ich die von ihm nicht erfahren?!« brauste Paul prompt auf, verstummte jedoch dann, weil er spürte, daß er sich hier in der schwächeren Position befand. Er steckte sich eine Zigarre in den Mund und griff nach der Zeitung, deren Kreuzworträtsel er heute noch nicht gelöst hatte. Dies tat er nämlich sehr gern. Allerdings gelang es ihm nur selten, einer vollen Lösung nahezukommen. Meistens blieb er schon auf halber Strecke hängen,
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