Der verhängnisvolle Urlaub
Düsseldorf abfuhr.«
»Und angerufen hat sie dich in der Zwischenzeit nicht?«
»Wie kommst du darauf?«
»Oder hat sie dich doch angerufen?«
Die Blicke der beiden kreuzten sich.
»Also gut«, seufzte Karin, »sie hat.«
»Um mich dir anzukündigen?«
»Ja.«
»Dann weißt du, weshalb ich hier bin?«
»Ja.«
Die Pause, die nun eintrat, dauerte länger. In Paul Fabrici sammelte sich der Sturm an, dessen Ausbruch unvermeidlich schien. Seine Augen wurden schmal. Seine Backenzähne mahlten. Die Knöchel der Hand, in der er keine Zigarre hielt, waren weiß. Die Finger kneteten einen Gegenstand, der nicht vorhanden war.
»Hör zu, Karin«, begann er. »Du kannst nicht sagen, daß ich dir nicht deine Freiheit gelassen hätte. Im Gegenteil, das habe ich in viel zu großem Ausmaße getan. Oftmals war das falsch. Falsch war es z.B. daß ich dich allein hierherfahren ließ. Hätte ich dir das verwehrt, wäre es hier mit dir nicht zu dem ganzen Scheißdreck gekommen …«
Offenbar regte der ordinäre Ausdruck ihn selbst so sehr auf, daß die Explosion erfolgte. Der Ausdruck glich der Lunte fürs Pulverfaß.
»Aber so«, fing er an zu schreien, mit der freien Faust auf die Armlehne seines Polstersessels hauend, »so hast du dich und uns zum allgemeinen Gespött gemacht. Deine Mutter ja weniger, die denkt darüber anders – aber mich! Mich und dich selbst. Dich mit deinem unsäglichen Krönchen auf dem Haupt und deinem blöden Filmlächeln im Gesicht. Das hat, sage ich dir, ausgesehen … ausgesehen hat das wie … ich kann dir nicht sagen, wie das ausgesehen hat. Unmöglich jedenfalls.«
Er holte Atem.
»Deshalb ist damit jetzt Schluß. Das Stück hier ist zu Ende. Das Stück mit meiner Tochter. Die anderen können machen, was sie wollen, das ist mir egal, aber du, du kommst mit mir nach Hause, und zwar sofort.«
Abermaliges Atemholen. Und ehe Karin etwas sagen konnte, ging's weiter.
»Schweig! Widersprich mir nicht! Widersetz dich mir nicht, oder ich weiß nicht, was passiert. In mir sieht's aus, Karin, das kannst du dir nicht vorstellen.«
»Doch.«
»Nein!«
»Doch. Mutti hat's mir gesagt.«
»Ach die!« Pauls wegwerfende Geste brachte kaum mehr zu steigernde Geringschätzung zum Ausdruck, aber er sagte dennoch: »Dann weißt du also von ihr, daß du mich nicht zum Äußersten treiben darfst?«
»Ja.«
»Wie ich dich jedoch kenne, bist du trotzdem entschlossen, das zu tun?«
»Nein«, sagte Karin ruhig.
Verblüfft schwieg ihr Vater. Erstaunen zeigte sich in seinem Gesicht, wachsendes Erstaunen.
»Habe ich recht gehört?« fragte er dann.
»Ja«, nickte Karin.
»Du widersetzt dich nicht?«
»Nein.«
Es war paradox, daß er ihr immer noch nicht glauben zu wollen schien.
»Du kommst mit mir nach Hause?«
»Ja.«
»Wann?«
»Mit dem nächsten Schiff.«
Eine herzergreifende Szene spielte sich ab. Ein leidenschaftlicher Zigarrenraucher entledigte sich seiner Havanna, die kaum angeraucht war, indem er sie im Bad in die Kloschüssel warf. Der Aschenbecher wäre für sie zu klein gewesen. Dann nahm Paul Fabrici seine Tochter in die Arme. Karin legte ihren Kopf an die breite Brust, die sich ihr zur Stütze darbot. Die Augen wurden ihr naß. Fabrici bemerkte das und hielt es für Tränen einer Tochter, die ihren Vater wiedergefunden hatte. Aber das waren sie nicht.
Paul mußte sich dagegen wehren, daß es ihn nicht auch übermannte. Er löste sich von Karin.
»Pack deine Sachen«, sagte er mit belegter Stimme. »Ich gehe schon mal runter und erledige deine Rechnung.«
»Ja«, nickte Karin, nach einem Taschentuch Ausschau haltend.
Er steckte sich eine neue Zigarre an. Dann ging er zur Tür, immer noch überrascht darüber, daß sich das Ganze wesentlich leichter als erwartet angelassen hatte.
»Heidrun«, sagte Peter Krahn zur Tochter des Pensionsbesitzers Feddersen, »es hat sich entschieden, ich könnte noch ein bißchen bleiben.«
»Ja?« strahlte Heidrun.
Die beiden standen sich im Aufenthaltsraum der Pension gegenüber, den das Mädchen mit frischen Blumen versehen hatte. Peter war auf der Suche nach ihr gewesen und hatte sie dort gefunden. Es kam den zweien zustatten, daß sie allein waren. Die übrigen Gäste weilten auf ihren Zimmern oder trieben sich im Freien herum.
»Ich muß Sie demnach fragen, Heidrun«, fuhr Peter fort, »wann ich mein Zimmer aufgeben muß.«
»Überhaupt nicht«, erwiderte sie spontan. Scheinbar war sie sich nicht über die Konsequenzen im klaren, die mit einer
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