Der verkaufte Patient
Wahrheit entspreche, dass Pater Anselm Grün im Olympiastadion »bei der Hartwig« eine Rede halten würde. Ja, es war so. Pater Anselm Grün kam – und die Leute hingen an seinen Lippen, als er über Kranksein und Gesundsein und den Verfall der Werte in der Medizin sprach. Ich könnte Dutzende von Geschichten dieser Art erzählen, die allesamt eine Pointe haben: Kontaktsperre.
Kaum war
Der verkaufte Patient
im Juni auf dem Markt, kam auch die längst überfällige öffentliche Diskussion über die politisch begünstigte Geschäftsverbindung der DAK mit dem amerikanischen Dienstleister
Healthways
in Gang. Richtig, wir sind beim Stichwort Call-Center! Die Ärztezeitung und REPORT Mainz nahmen sich der Sache an. Der Marburger Bund forderte eine politische Diskussion über den Schutz von sensiblen Patientendaten vor der Einführung der elektronischen Gesundheitskarte.
Auch der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar sieht Handlungsbedarf. Er habe Zweifel, äußerte Schaar mehrfach, dass die Kassen berechtigt sind, derart umfassende Programme ohne Einschaltung des jeweiligen behandelnden Arztes zu starten. Wegen datenschutzrechtlicher Bedenken angesichts des Verfahrens, mit dem die DAK Versicherte für neue Programme über die Firma
Healthways
gewinnen will, hat er die DAK gebeten, das Verfahren bis zur endgültigen Klärung der Rechtmäßigkeit einzustellen. Für Peter Schaar stellt sich die Frage, ob für die in Frage stehende Beratung überhaupt ein Dritter eingeschaltet werden darf oder ob es sich um eine originäre Aufgabe der Kasse selbst handelt, die diese – auch mit Einverständnis des Versicherten – nicht an einen Dritten abgeben darf. Momentan prüft jedenfalls das zuständige Bundesversicherungsamt, ob die DAK hier rechtmäßig gehandelt hat.
Kommen wir zur CSU: Das jüngste Wahldebakel hat auch eine gesundheitspolitische Note, denn es gibt kaum einen Bereich, in dem die früher allherrschende Regierungspartei Ärzte und Patienten gründlicher getäuscht und ausgetrickst hat als gerade in der Gesundheitspolitik. Von den Ärzten, die – kein Ruhmesblatt – sich einmal mehr von der Landesregierung an der Nase herumführen ließen, wird noch zu reden sein. Hier geht es zunächst um ein Schelmenstück zum Thema DAK im Bayernkurier Nr. 29 vom 19. Juli 2008.
Der Hintergrund: Als ich im Frühjahr und Sommer 2008 die DAK kritisierte und ihre Call-Center-Aktivitäten öffentlich machte, mit denen der Berufsstand der Hausärzte und freien, niedergelassenen Ärzte weiter unterminiert, das Arztgeheimnis sturmreif geschossen und der Datenschutz ad absurdum geführt wurde, da hagelte es Beschwichtigungen von der CSU. Natürlich sei man ebenfalls vehement gegen Call-Center zur Betreuung von chronisch Kranken. Sozialministerin Stewens ging sogar so weit, es als »unmöglich« zu betrachten, dass sich ein Call-Center in Bayern etabliere. Da täuschte sie links an.
In derselben Nummer 29 des Bayernkurier, in der sich Frau Stewens auf Seite 16 ergriffen über die ewige, nachhaltige, unverbrüchliche Liebe der CSU zum niedergelassenen Arzt ausließ (»Sie sind für die Patienten die erste Anlaufstelle und fungieren neben der medizinischen Versorgung auch als Ansprechpartner und Ratgeber in schwierigen Lebenslagen …«) – in eben dieser Ausgabe brachte das Parteiorgan der CSU auf Seite 18 einen halbseitigen hymnischen Bericht über das DAK-Gesundheitsprogramm »Besser leben« mit dem Call-Center-Programm von
Healthways
. Das liest sich so, als ob dem Bayernkurier auch die Achillesferse der Geschichte bestens bekannt war. Programm und Verfahren seien mit dem Datenschutzbeauftragten abgestimmt. Wahrscheinlich war es der Datenschutzbeauftragte des Bayernkurier. Peter Schaar kann es nicht gewesen sein. Jedenfalls:
Da wollte jemand rechts vorbei, um die Kugel im Netz zu versenken.
Was soll man von dem Rundbrief halten, den die CSU allen Ärzten wenige Tage vor der Landtagswahl 2008 zukommen ließ? »Das Leitbild der CSU wird auch in Zukunft die Sicherung einer wohnortnahen haus- und fachärztlichen Versorgung der Menschen in Bayern durch freiberuflich niedergelassene Ärzte bleiben. Im Herbst werden wir daher intensiv prüfen, wie das Einbringen von Kapitalgesellschaften in das ambulante Gesundheitswesen über medizinische Versorgungszentren (MVZ) verhindert werden kann. (…)« Wie viele Ärzte zu diesem Zeitpunkt noch den Dackelblick aufsetzten und das glaubten? Das Einbringen von Kapitalgesellschaften war
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