Der verkaufte Patient
»Volksvertreter – das kommt wohl von Volk und treten.« Ich bin kein Anhänger des Fürsorgestaates. Ich will nicht, dass es alles kostenlos und im Überfluss gibt, will auch nicht vom Staat gegängelt, bemuttert und gefüttert werden. Ich sage ja zu einem selbstverantwortlichen Leben in Freiheit. Und ich weiß auch, dass sich die Rahmenbedingungen fundamental verändert haben, dass einschneidend gespart werden muss. Aber bitte auch an Beraterverträgen und »Gesundheitskarten« …
Vor allem wünsche ich mir einen Staat, den man nicht permanent vor seinen eigenen Kindern und Enkeln verteidigen muss, weil selbst sie schon spüren, dass sie in etwas hineinwachsen, das nicht sauber ist – etwas, das auch sie austricksen, ausnehmen und bei passender Gelegenheit übertölpeln wird.
KAPITEL 16
Was so passiert, wenn man in ein Wespennest tritt …
D as, Frau Hartwig, ist kein Buch!«, schrieb mir ein Mediziner. »Das ist ein Brandsatz! Wundern Sie sich nicht, wenn sie politisch entschärft werden, wenn man über Sie das große Schweigen verhängt, wenn man Sie nach allen Regeln der Kunst auszutricksen versucht! Denn Sie haben eine Todsünde begangen: Sie haben die Wahrheit gesagt!«
Was ist seit Publikation des Buches geschehen? Nichts – denkt der umtriebige Zeitungsleser, Fernsehzuschauer, Radiohörer, Google-User. Doch der Eindruck täuscht. Schockierende Enthüllungen im Buch (S. 111, Kapitel »Muntes Monopoly …«) führten zu hastigen Korrekturen bei den Verantwortlichen der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern. Der Effekt: 4,6 Millionen Euro fließen zurück in die Kasse der Bayrischen KV, aus der sie zuvor ohne Wissen der meisten der betroffenen Ärzte entnommen worden waren. Das Firmenkonstrukt
bonacur GmbH & Co. KG aA
, das aus der
Gediselect GmbH & Co. KG aA
hervorgegangen war, wird liquidiert. Die KV Bayern versucht auf ihrer Homepage das Gesicht zu wahren: »Mutmaßungen seitens des BHÄV-Vorsitzenden und Frau Hartwig bewirken sinkendes Interesse an Anteilen der Gesellschaft. (…)«
Fazit:
Die vom Gesetzgeber begünstigte schleichende Kapitalisierung im Gesundheitswesen konnte zumindest an diesem Punkt gestoppt werden.
Bei den Politikern fand
Der verkaufte Patient
wenig Widerhall, was wohl zu erwarten war. In vornehmer Zurückhaltung übten sich freilich auch einige Journalisten, die es sich mit der »gesundheitspolitischen Szene«, von der sie letztlich den Honig saugen, der sie am Leben erhält, nicht verderben wollten. Umso heftiger war in der Tat der Publikumszuspruch. Ich wer-de überschwemmt von Anfragen aus dem gesamten Bundes-gebiet, interessanterweise auch aus Österreich und sogar aus der Schweiz. Ohne zu prahlen, darf ich feststellen: Ich könnte derzeit jeden Abend einen anderen Saal im deutschspra-chigen Raum füllen - so stark ist die Nachfrage. Und so geht es seit Monaten. Allein im August 2008 kam es zur Gründung von 108 (!) Bürgerpatienten-Stammtischen meiner Initiative www.patient-informiert-sich.de . Bayern war der Anfang, mittlerweile gibt es solche Bürgerpatienten-Stammtische auch in anderen Regionen. Mein Dank gilt allen, die meinem Aufruf »Einmischen ist Bürgerpflicht« gefolgt sind und sich in ihren Initiativen engagieren!
Geradezu stürmischen Zuspruch erhalte ich bis heute von Medizinern, obwohl ich mich immer kritischer mit der passiven Haltung vieler Ärzte auseinandersetze. Sogar ein WHO-Repräsentant (WHO = World Health Organization), der die gesundheitspolitische Entwicklung in Deutschland nur noch mit Kopfschütteln verfolgt, ermunterte mich, nur ja nicht nachzulassen in meinem Kampf gegen die rücksichtslose Kapitalisierung des solidarischen Gesundheitswesens in Deutschland: »Sie wissen gar nicht, wie richtig Sie liegen!«
Die Druckerschwärze der Erstauflage im Juni war noch nicht trocken, da musste ich erfahren, wie sich eine Regierung verhält, die beim Regieren gestört wird. Dass eine Frau es wagt, das Münchner Olympiastadion zu mieten, um der Politik öffentlich den Schulterschluss zwischen Ärzten und Patienten zu demonstrieren, war ärgerlich. Dass außerdem aber noch 28000 Bürgerpatienten mit ihren Ärzten dem Aufruf »Wir sagen NEIN zu dieser Gesundheitspolitik« folgten, das galt in den Zeiten vor der Götterdämmerung am Wahlabend des 28. 9. 2008 fast schon als Landesverrat. So alarmiert warendieVerantwortlichen, dass sich ein CSU-Politiker selbst ans Telefon begab, um in Münsterschwarzach nachzufragen, ob es tatsächlich der
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