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Der verkaufte Patient

Titel: Der verkaufte Patient Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Renate Hartwig
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Schlossbezirk 2, 76131 Karlsruhe« wendet sich die Klageschrift des Arztes Bernhard Marquardt und sämtlicher Mitglieder des Vereins »Freie Ärzteschaft«. Mit dem Mut der Verzweiflung rufen die Ärzte die höchsten Richter im Land an, um … nun ja, um letztlich zentrale Ergebnisse der »sogenannten Gesundheitsreformen« (Friedrich Merz) mindestens zweier Legislaturperioden zu kippen, sie als Unrecht, als Verstoß gegen das Grundgesetz deklarieren zu lassen. Was (Bonn und dann) Berlin erlassen hat, ist gesammelt in einem Sozialgesetzbuch – weltweit ein Unikum –, und diese höchst praktisch wirksame Sammlung von Bestimmungen umfasst mehr als 10 000 Einzelverfügungen, für die ein Elefantengedächtnis nötig wäre, wollte man sie als Arzt oder Kassenmitarbeiter jederzeit auf dem Monitor haben. Ein Jurist, mit dem ich gesprochen habe, hält vieles von dem, was da im Sozialgesetzbuch steht, was da oft mit der Glutnadel gestrickt und im Parlament durchgetrickst wurde, für»Schmuddelarbeit und legislative Dekadenz … eine Fülle von Bestimmungen dürfte die Veröffentlichung nicht überleben; grundgesetztreue Gerichte müssten sie eigentlich sofort kassieren«. Genau das möchten Dr. Marquardt und andere Unerschrockene wissen: Steht das Grundgesetz wirklich noch über den eilig gestrickten Bestimmungen der sogenannten Gesundheitsreformen? Bricht höheres Recht doch niederes?
    Gute Chancen für unser Ärzte? Eher nicht. Das Bundesverfassungsgericht entscheidet nicht über Nacht. Die Urteile sind oft abwägend zwischen Recht und politischer Machbarkeit. Und wenn sie präzise und dezidiert ergehen, heißt das noch lange nicht, dass man in Berlin am nächsten Tag das Ruder herumwirft.
    Wie immer das Hohe Gericht entscheiden mag – ich als Nichtjuristin lese die Klageschrift mit atemloser Spannung. Vor dem Hintergrund einer wahren Flut von Reformregelungen erhebt sich die Not eines ganzen Berufsstandes, der mit grundgesetzwidrigen Gesetzen (so die Kläger) um Brot und Arbeit gebracht werden soll. Die Klage ist ein existenzieller Aufschrei, der im Vorwurf gipfelt, hier werde »kalt enteignet«. Die freien, niedergelassenen Ärzte wollen von den Verfassungsrichtern definitive Klarheit, »ob die Freiberuflichkeit ihres Berufsstandes Bestand haben soll oder sie sich mit ausdrücklichem Einverständnis des höchsten deutschen Gerichts in das Schicksal einer entschädigungslosen ›kalten‹ Enteignung und Zwangskollektivierung zu ergeben haben«. Das ist starker Tobak! Ich musste an Friedrich Merz’ Beschreibung der Abstimmungsvorgänge bei Verabschiedung der letzten Gesundheitsreform denken – dass Abgeordnete nicht wissen konnten, welchen Gesetzen und Gesetzesfolgen da zugestimmt wurde. Und hier klagen nun unmittelbar Betroffene dieser chaotisch ergangenen Gesetze, und sie reden von »kalter Enteignung« und »Zwangskollektivierung«. Was ist damit gemeint?
    In der Klageschrift heißt es: »Die gesetzgeberischen Intentionenzur Zerstörung des Vertragsstatus, zum Vertragsbruch, zu unlauterem Wettbewerb, zu Verträgen zu Lasten Dritter, zum gleichsam gesetzlich gedeckten Eingehungsbetrug durch die Krankenkassen, zu Honorardumping, zu einseitig aufgezwungenen ›Verträgen‹ und einem unübersehbaren Vertragschaos betreffen alle Kassenärzte. (…) Mit der Öffnung von Kliniken, deren Ambulanzen oder der von ihnen getragenen MVZ zur ambulanten medizinischen Versorgung wird mit milliardenschweren Subventionen aus Steuermitteln ein ungeheuerlicher unerlaubter Wettbewerb zu Lasten der ›Vertragsärzte‹ eröffnet mit dem Ziel, freiberuflich tätige Ärzte aus dem ambulanten Versorgungsgeschehen zu eliminieren. Mit sichtbarem Erfolg: Durch die gesetzgeberische Entscheidung, Krankenhäuser unmittelbar oder mittelbar über MVZ mit gewaltigen steuerlichen Subventionen in die ambulante fachärztliche Versorgung einzuschalten, wird unmittelbar den derzeit in diesem Versorgungsbereich freiberuflich tätigen Kassenärzten jegliche Rechts- und Planungssicherheit genommen. Jede eigentlich noch so dringlich anstehende Investitions-, Innovations- oder Personalentscheidung wird zum unübersehbaren höchstpersönlichen Risiko und damit de facto obsolet. (…) Den ›freiberuflichen‹ Ärzten wird mit gesetzlichen und bürokratischen Maßnahmen auf verschiedenen Ebenen die Weiterführung ihrer Praxen de facto verunmöglicht, so dass mit einer baldigen Aufgabe dieser Praxen ohne Nachfolge zu rechnen ist.
Das Quaken der Frösche und die

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