Der verkaufte Patient
Also insgesamt 240 Milliarden Euro.« Aha. Und was soll also das Ganze? Das Einzige, was der Bürger verstehen kann, weil er es so verstehen soll, sind Botschaften wie: 240 Milliarden sind mehr als 30 Milliarden, halte die Klappe! Noch präziser: Ich möchte nicht über die 30 Milliarden reden!
»Der unbefangene Zuhörer und Leser«, schließt Prof. Beske, »könnte versucht sein zu glauben, dass beide, Hoppe und Schmidt, das Gleiche meinen, dann allerdings ergibt sich ein Differenzbetrag von rund 100 Milliarden Euro. Dadurch entsteht bestenfalls Ratlosigkeit, sonst aber muss der Eindruck entstehen, dass der Ärztekammerpräsident nicht zu rechtfertigende Forderungen erhebt. Ohne Klarheit geht es nicht. Nur so sind Missverständnisse zu vermeiden. Es sei denn, dass bewusst und gezielt falsch informiert, dass Desinformation betrieben wird.«
Nach den Regeln der Desinformation sollte man genau nach den 30 Milliarden fragen, auf die Ulla Schmidt in ihrer Rede nicht eingegangen ist. Irgendeine Lösung muss sie ja haben, wenn nach einem real existierenden Finanzloch gefragt wird. Möchte sie, dass die Kassenbeiträge heftig erhöht werden? Dann kann sie die nächste Wahl für die SPD gleich in den Wind schreiben. Möchte sie das Geld aus den Töpfen irgendwelcher Begünstigten nehmen? Das wäre wie der Griff mit der nackten Hand in das Haifischbecken. Oder aber – das wäre nun die ganz linke Variante – trägt sie sich mit dem Gedanken, die von Prof. Hoppe angemahnten 30 Milliarden Euro Krankenhausinvestition über private Investoren finanzieren zu lassen? Vielleicht über den einen oder anderen amerikanischen Gesundheitskonzern?
Freunde in der Not
»Alles aus einer Hand«, das ist die Ideologie derer, die für »Integrierte Versorgung« werben und damit die Sympathie der öffentlichen Hand, sofern sie Schmidt, Lauterbach & Co heißt, finden. Ihre Majestät selbst, Ulla Schmidt, war Schirmherrin, als das USA-Unternehmen Kaiser Permanente am 7. Januar 2007 in Berlin Unter den Linden seine »Integrierte Versorgung« vorstellte (siehe Kap. 14).
Dass diese Präsentation über die Bertelsmann-Stiftung lief, gehört im Gesundheitswesen schon zur Normalität (dazu mehr in Kap. 15). Prof. Karl Lauterbach, der Mann mit der Fliege, in Insiderkreisen des Bundesministeriums für Gesundheit »Ullas Einflüsterer« genannt, ist immerhin im Aufsichtsrat der Rhön-Klinikum AG vertreten und sitzt dort neben Dr. Brigitte Mohn von der Bertelsmann-Stiftung. Dieses rege Klinikbetreiberunternehmen – beklagt es das von Herrn Dr. Hoppe angemahnte 30-Milliarden-Defizit, wenn es auf der Homepage verlauten lässt: »Der Kostendruck im Krankenhausbereich nimmt zu. Diesem Druck werden unwirtschaftlich arbeitende und strukturell benachteiligte Krankenhäuser künftig immer weniger gewachsen sein …«? Das muss doch nicht sein! Da kann man doch mit Klinikprivatisierungen gegensteuern! Die machen allerdings nur Sinn, wenn »die Verbindung zwischen den Möglichkeiten eines Klinikstandortes einerseits, unserem Know-how und unserer Finanzierungsfähigkeit andererseits mehr ergibt, als vorher vorhanden war. Und nur dann wird sich die neue Symbiose im Wettbewerb unter den Krankenhäusern und im Abgleich mit ihrem Umfeld langfristig als erfolgreich erweisen …« Aha. Hilfe naht. Kostet nix. Oder doch? Was heißt: »… andererseits mehr ergibt«? Und was meinen die eigentlich mit »Abgleich mit ihrem Umfeld«?
Bei den Konzernen, da flutscht es. Eine Hand wäscht die andere. Die Rhön-Klinikum AG bürgt in ihren Unterlagen für eine »konsequente Patienten- und Prozessorientierung, dasheißt, es erfolgt eine Ausrichtung nach dem Flussprinzip (ist Prozessorientierte Ablauforganisation). Kernmerkmale dieses Flussprinzips im Krankenhaus sind ein der stationären Versorgung vorgeschaltetes zentrales interdisziplinäres Diagnostikum, ein vierstufiges Pflege- und Behandlungs-Konzept in den Bereichen Intensiv-, Normalpflege, Intermediatecare und Lowcare-Station sowie eine Tagesklinik …« Klar doch, Sanierung geschieht hier per Staubsauger: Die private Klinik arrondiert und zieht alle nur denkbaren Gesundheitsleistungen im näheren Umfeld an sich.
Fehlt nur noch ein Stichwort: »MVZ« – und der Kreis ist geschlossen. Mit ihnen macht der Plan der schleichenden Privatisierung rasante Fortschritte. Medizinische Versorgungszentren (MVZ) schießen aus dem Boden wie Pilze. Zum Jahresbeginn 2005 gab es 70 MVZ. Am Ende des Jahres 2007 rund 950, ein
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