Der verkaufte Patient
Vierteljahr später schon 1000. Jedes Quartal kommen nach Einschätzungen von Experten 70 hinzu. Die in den MVZ arbeitenden Ärzte sind angestellt. Krankenhäuser steigen in diese MVZ-Linie ein. Hier liegt der Schlüssel zur schönen neuen Gesundheitswelt. Da werden in ziemlich großem Stil Praxen in ganz Deutschland aufgekauft. Ärzte, so um die 60, findet man für ihr kleines Unternehmen mit einer für sie noch akzeptabel erscheinenden Geldsumme ab. Dann besitzt der nach außen meist anonyme Geldgeber einen Arztsitz. Hat er mehrere solche beisammen, muss er nur noch einen zugelassenen Arzt finden oder ein Krankenhaus besitzen, um ein MVZ zu eröffnen. Rentabel wird das Zentrum vor allem dann, wenn mehrere Fachärzte angestellt sind. Das lohnt sich nur in größeren Städten mit genügend Patientenzulauf. Diese lassen sich dann leicht von einem zum anderen Fachkollegen schicken. Er sitzt ja im gleichen Haus. Was zunehmend auf der Strecke bleibt, ist die flächendeckende, wohnortnahe Versorgung und die bisherige Unabhängigkeit eines Praxisbetreibers.
Große private Kliniken, wie Rhön-Klinikum AG oder Fresenius,haben die sich mit MVZ bietende Chance längst geschnallt. Sie eifern mit ihren inzwischen 210 Krankenhäusern dem Vorbild der »Integrierten Versorgung« nach. Versicherungskonzerne sind an diesen Unternehmen beteiligt. Wolfgang Pföhler, Vorstandschef der Rhön-Klinikum AG, kündigte 2007 an, dass an jedem seiner 40 Häuser, darunter die Uniklinik in Gießen–Marburg, MVZ gegründet werden. Ach ja, Pföhler hat es klar ausgesprochen: Hausärzte schließe er als Partner aus! Pföhler hat glänzende Kontakte in die Politik. Und mit dem beamteten Staatssekretär Klaus Theo Schröder (SPD), früher auch kurzzeitig mal Manager bei der Rhön-Klinikum AG, sitzt ein Profi im Bundesgesundheitsministerium! Auch der Mann mit der Fliege, Prof. Karl Lauterbach (SPD), ist durch seinen Aufsichtsratsposten mit der Rhön-Klinikum AG, verbunden. Dr. Brigitte Mohn, die mit ihrem Mann Richard die Bertelsmann-Stiftung leitet, wirbt seit Jahren für einen Systemwechsel im Gesundheitswesen. Der direkte Bezug zu MVZ: Hier hat die Bertelsmann-Stiftung gerade ein Pilotprojekt mit sechs solcher Einrichtungen gestartet, um deren Qualität zu bewerten. In aller Offenheit kündigt die Stiftung auch eine »Typisierung« der MVZ an:
1. »MVZ der Grundversorgung« mit Schwerpunkt »hausärztliche Versorgung vor allem älterer multimorbider Patienten«.
2. »MVZ der Spezialversorgung« mit einem breiten Angebot an Fachärzten und einer Kooperation mit einer Klinik.
3. »Marken-MVZ«. Es soll die »hausärztliche Versorgung zentralisieren, um dem Medizinermangel auf dem Land zu begegnen«.
Bis Ende 2008 soll daraus ein »Zertifizierungssystem« gezimmert sein. Wie allerdings aus einer Zentralisierung eine flächendeckende Versorgung gewährleistet werden soll, gleicht dem Versuch, aus einem Quadrat einen Kreis zu entwickeln.Hausärzte können sich denken, was mit diesem Vorhaben bezweckt wird. Unsere älter werdende Gesellschaft sollte rasch nachziehen, bevor es zu spät ist.
Pillen und Playboy
Ein Punkt, den ich noch gar nicht erwähnt habe, der mich allerdings immer wieder ärgert, sind unsere Arzneimittelpreise. Tatsächlich geben wir in Deutschland mehr Geld für Arzneimittel aus als für den gesamten Bereich der freien, niedergelassenen Ärzte. Dass die Arzneimittelpreise »politisch« sind, das heißt, dass sie Verhandlungssache sind, pfeifen inzwischen die Spatzen vom Dach. Wenn ich feststelle, dass vergleichbare Medikamente fast überall im Ausland günstiger sind als in Deutschland, werde ich ungehalten. Das heißt doch im Klartext nur, dass sich die deutschen Politiker und Funktionäre auf der Verhandlungsebene nicht durchsetzen konnten gegen die mächtige Pharmalobby. Es ist nicht einsehbar, warum wir für Präparate in Deutschland teilweise den fünffachen Preis wie in anderen Ländern zahlen. Beispiel: Ein apothekenpflichtiges Präparat gegen Kopfschuppen kostet hier rund 14 Euro. Ein Spanier bezahlt für das gleiche Mittel desselben Herstellers den nämlichen Preis, erhält dafür aber zwei Packungen mit dem doppelten Inhalt. Ich will diesen Preis auch haben! Keinen anderen! Wie Politiker ihn gegenüber der Pharmaindustrie durchsetzen, ist mir egal. Ich messe sie am Ergebnis. Dass es billiger geht, ist bewiesen. Noch eine Zahl dazu: In Deutschland sind knapp 50 000 verschiedene Arzneimittel –
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