Der verkaufte Patient
menschennahen Medizin, die auf einem Arzt-Patienten-Vertrauensverhältnis aufbaut.
Wir wissen nicht, wohin – das aber mit aller Kraft
Wer auf die Frage »Warum nur?« eine Antwort haben will, muss den Blick weiten. Nehmen wir ein Parallelbeispiel von Privatisierung – nehmen wir einmal die Deutsche Bahn! Man wird eine Fülle verblüffender Parallelen zum Gesundheitswesen entdecken. Hier wie dort lautet das Konzept: Zu teuer für den Staat, zu schlecht in der Leistung, das können andere besser! Also wird der Ausverkauf an private Investoren mit aller Gewalt betrieben. Es gab eine Menge Verlierer dieser Modernisierungsoffensive – auch solche, die in Hartz IV abrutschten. Die Betreiber dieses Ausverkaufs, die Integristen, freilich gehören nicht zu den Verlierern. Sie finden sich wieder, integriert in Aufsichtsräte und andere Formen der Nutznießung. Auch bei der Bahn wird privatisiert. Genauer gesagt geht es darum, dass Herr Mehdorn den Auftrag hatte, die Braut zu schmücken, sprich die Bahn so herzurichten, dass öffentliches Bahneigentum Interesse auf dem internationalen Heiratsmarkt finden sollte, sprich: bei großen Anlegern (der Verkehrsexperte Heiner Monheim – Artikel in »Freitag« Nr. 11 vom 16. 3. 07 – nennt: Gazprom, arabische Kapitalgesellschaften, große amerikanische Invest- und Immobilienfonds). Man bedenke: Die Bahn war und ist die einzige umweltfreundliche Alternative zum kollektiven Wahnsinn des privaten Nahverkehrs! Zur Erinnerung: Hausarzt! Privatisierung! Internationale Investoren!
Heiner Monheim: »Dabei steht hier ein großes Desaster unmittelbar bevor, wenn ein total eingelullter Bundestag Bahnchef Mehdorns Strategie, den Konzern globalen Kapitalinteressenpreiszugeben, absegnet und sich der Bund aus seiner verkehrs- und klimapolitischen Verantwortung für einen modernen Schienenverkehr verabschiedet.« Zur Erinnerung: Bundestag! Einlullen! Konzerne! Kapitalinteressen! Verantwortung! Abschied!
Nun weiß man, die Investoren kommen nicht aus karitativen Gründen. Sie bringen deftige Gewinnerwartungen mit – solche, von denen die klassische Bahn nie zu träumen wagte. Diese Investoren sind keine Dilettanten: Sie werden die Bahn so lange umbauen, bis sie ihre Gewinnerwartungen erfüllt sehen, oder sie werden sie abschreiben und wie eine ausgepresste Zitrone wegwerfen. Damit die Braut aber sexy wirkte – schlank und rank sollte sie daherkommen –, verordnete ihr Meister Mehdorn schon im Vorfeld eine Kur. Schlank »im Sinne Mehdorns heißt: das Netz verkleinern, massiv Personal abbauen, den Service runterfahren und die Preise bis an die Schmerzgrenze anheben. Für raumordnungspolitische und verkehrspolitische, klimapolitische und sozialpolitische Zielsetzungen, für eine Bahn für alle, ist da kein Platz mehr« (Heiner Monheim). Zur Erinnerung: Aufkündigung des Solidarprinzips! Umbau! Leistungsbegrenzung! Praxisgebühr! Zuzahlung! Hausarztsterben! Rückbau des ambulanten Bereichs!
Monheim beklagt die Konzentration auf einige »wenige Großprojekte des Hochgeschwindigkeitsverkehrs« und sieht ansonsten eine »brutale Desinvestitionsstrategie: Sie reißt endlos Weichen und Überholgleise raus, was unmittelbar die Netzkapazität und Flexibilität beschädigt. Und sie unterlässt die notwendigen, regelmäßigen Unterhaltungs- und Modernisierungsinvestitionen ins Streckennetz und in die verbliebenen Bahnhöfe.« Zur Erinnerung: Investitionsverlagerungen der Kassen! Fallpauschale! Punkte! EBM-2000plus! Budget! Regressforderungen! Praxispleiten!
Selbst der Bundesrechnungshof stellt die massive Vernachlässigung im Unterhalt des Schienennetzes durch die BahnAG fest. Das juckt nicht. Es geht ausschließlich um die Bilanz und wie »der Bund, der derzeit noch weitgehend für die Neu-, Ausbau- und Erneuerungsinvestitionen aufkommen muss, geschröpft werden« (Heiner Monheim) kann. Zur Erinnerung: Gesundheitskarte!
Auch im Fall der Bahnprivatisierung gab und gibt es zahlreiche Abgeordnete, die der Sache höchst kritisch, ja ablehnend gegenüberstanden. Auch sie wurden überfahren von der Euphorie der Integristen. Die Materie gestaltete sich derart komplex, dass ohnehin nur weinige Spezialisten noch einigermaßen den Durchblick bewahren konnten. Das »Fußvolk« hatte, wie Monheim ausführt, »längst resigniert, den Überblick verloren und das Entscheiden den wenigen Insidern überlassen, die das Ganze noch halbwegs durchschauen«.
Kalte Enteignung
»An das Bundesverfassungsgericht,
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