Der verkaufte Patient
Packungsgrößen, Wirkstoffstärken und Darreichungsformen zusammengenommen – zugelassen. Die Schweden kommen mit ca. 7000 Pillen und Tröpfchen aus. Sind sie deshalb kränker? Und wenn mir die Pharmaindustrie mit den hohen Kosten kommt, die ihre Forschungen an den Präparaten einer »Medizin der Zukunft« kostet, dann sage ich ihnen: »Gerne, demnächst wieder,jetzt haben wir ein anderes Problem: Wir geben zu viel Geld in den falschen Gesundheitssektor.«
Woran es liegt, dass die deutsche Politik sich nicht durchsetzt? Das lag und liegt zum Teil daran, dass die Pharmalobby in Berlin brillant organisiert und von der Ex-CDU-Politikerin Cornelia Yzer (über Wirtschaft und Politik hinweg) gewissermaßen bereichsübergreifend dirigiert wird. Eine 50-Leute-Truppe bestens präparierter Lobbyisten spielt das Ein-Kopf-ein-Arsch-Spiel mit der öffentlichen Hand – mit dem bekannten Ergebnis.
Möglicherweise wurde das erbärmliche Ergebnis aber auch deshalb erzielt, weil die Politik kein wirkliches Interesse an niedrigen Arzneimittelpreisen hat. Besonders dem Finanzminister kann in keiner Weise an einem Preisdumping gelegen sein, beschert es ihm doch ein Finanzloch erster Güte. Man muss sich immer vor Augen führen, dass Arzneimittel mit 19 % Mehrwertsteuer belegt sind, eine Tatsache, die in keiner Weise begründbar ist, es sei denn mit purer staatlicher Lust an Steuereinnahmen. Den Playboy gibt es für 7 %, ebenso Katzenfutter. Aber bei einem irre teuren Krebsmittel hält Steinbrück mit 19 % die Hand auf.
In anderen Ländern sieht es da ganz anders aus. In Frankreich sind 2,1 % für erstattungsfähige und 5,5 % für nicht erstattungsfähige Medikamente fällig; in Irland zahlt der Patient 0 % für Medikamente zur oralen Anwendung, sonst bis zu 21 %; England verlangt 0 % auf Arzneimittel, die im Rahmen des National Health Service (NHS) verordnet werden, 17,5 % auf nicht verschreibungspflichtige Medikamente. Es ist also pure Heuchelei, wenn in Deutschland Gesundheitspolitiker ein bisschen Lamento über die hohen Arzneimittelpreise anstimmen. Für den Finanzminister ist das wahrscheinlich grenzwertiges »Gedöns«.
KAPITEL 7
Muntes Monopoly – oder:
Allerhand Kurioses aus der
Kassenärztlichen Vereinigung
22. April 2008, beste Sendezeit am Abend. Die Fernsehjournalisten von FRONTAL im Einsatz. Ein mächtiger, abweisender Behördenbau in Hannover. Harte Kameraschnitte. Unangenehmer Besuch für die Kassenzahnärztliche Vereinigung. Wieder decken Journalisten einen Fall von Betrug und Machtmissbrauch im Gesundheitsbereich auf. Wieder muss der Staatsanwalt eingreifen und den selbstherrlichen Funktionären einer Kassenärztlichen Vereinigung auf die Finger sehen. »Transparency International« ist schon lange auf die Einrichtungen mit dem Status einer Körperschaft öffentlichen Rechts aufmerksam geworden. Greift die staatliche Rechtsaufsicht über ihre Organe nicht? Geht es auch hier schon zu wie bei Siemens?
Anke Martiny von
Transparency International
, ehemaliges Mitglied des SPD-Parteivorstandes, tritt vor die Kamera: »Aus meiner Sicht ist es schon lange so, dass die KVen, die KZVen, eine Art von Selbstbedienungsmentalität ohne Kontrolle im Laufe der letzten Jahrzehnte seit Gründung eingerichtet haben, die auf keine Weise abzustellen ist. Die Kette der Beanstandungen reißt ja nicht ab. Mal ist es in Rheinland-Pfalz, mal ist es in Bayern, mal ist es in Niedersachsen, mal in Berlin. Nirgendwo hat man das sichere Gefühl, dass die KVen und KZVen sauber arbeiten.« Auch Uwe Dolata vom Bund Deutscher Kriminalbeamter macht sich empört vor der Kamera Luft: »Wenn ein Arzt allein einen Arzt kontrolliert … das wäre ungefähr so, als wenn wir den Parlamentarischen Ausschuss für Geheimdienste im Bundestag nur mit Geheimdienstlernbesetzen würden. Das traut sich keine Organisation, keine Ermittlungsbehörde, keine Polizei, kein Niemand … sich selbst zu kontrollieren! Nur die Kassenärztliche Vereinigung besteht aus kassenärztlichen Mitgliedern!«
Würde sie mal aus kassenärztlichen Mitgliedern bestehen – möchte man hinzufügen! Die Dinge sind auf einer dramatisch schiefen Bahn, aber noch ganz anders, als Herr Dolata es sich im Eifer des Gefechts vorstellt. Bei der KV Bayern gibt es die Vertreterversammlung, in der Ärzte quasi den Aufsichtsrat der KV bilden. Im Frühjahr 2007 zogen dort engagierte Mitglieder des Hausärzteverbandes unter Protest aus dem Gremium aus, weil sie es nicht länger mittragen
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