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Der verkaufte Patient

Titel: Der verkaufte Patient Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Renate Hartwig
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Buchdeckel des Gebührenhandbuches für Ärzte zusammen. Damit sind die Gemeinsamkeiten erschöpft. Aus welchem Grund der Arzt bei der Behandlung eines Privatversicherten (dazu gehören unsere Beamten und Politiker) seine Leistung definiert und in Euro ausgewiesen bekommt, und bei Kassenpatienten nicht, sollten wir hinterfragen.
    Für einen Normalsterblichen gilt: Die Einkommensgrenze, bis zu der Beiträge in die gesetzliche Krankenversicherung erhoben werden, beträgt im Jahr 2008 genau 43 200 Euro p. a. bzw. 3600 Euro brutto monatlich. Die Höhe des Beitrags ist abhängig von der Höhe des Beitragssatzes Ihrer gesetzlichen Krankenversicherung. Für einen Wechsel in die private Krankenversicherung ist die Versicherungspflichtgrenze (Jahresarbeitsentgeltgrenze) relevant; sie beträgt 48 150 Euro p. a. bzw. 4012,50 Euro monatlich. Um in die private Krankenversicherung wechseln zu können, muss man dieses Einkommenin drei aufeinanderfolgenden Jahren überschritten haben. Wenn Ihr Einkommen also seit 2006 über der Pflichtgrenze liegt, können Sie über einen Wechsel nachdenken.
    Ja, alles ist geregelt in unserem Land. Sogar die Sonderrechte für Beamte. Denn viele verdienen gar keine 4000 Euro im Monat und hätten darum logischerweise auch keine Berechtigung, privat versichert zu sein. Der Staat will seine Diener nicht nach Pünktchen berechnen lassen und gewährt sogar nach Beamtenrecht Beihilfe. Beihilfe ist eine finanzielle Unterstützung im Krankheits-, Geburts-, Pflege- und Todesfall für deutsche Beamte und Berufsrichter sowie deren Ehepartner und Kinder, soweit diese nicht selbst sozialversicherungspflichtig sind. Diese Beihilfe wird auf Antrag des jeweiligen Dienstherrn prozentual bzw. pauschal nach Vorlage der vom Beamten bezahlten Arzt-, Zahnarzt-, Apotheken- und Krankenhausrechnungen gewährt. Es werden 50–80 % der Aufwendungen erstattet, je nach Familiensituation und Bundes- bzw. Landesrecht. In der Regel werden dabei nur beihilfefähige Aufwendungen berücksichtigt und Eigenanteile abgezogen. Wie in Deutschland üblich, gibt es auch da nichts Einheitliches, also auch kein einheitliches Beihilferecht. Die einzelnen Länder haben einzelne Beihilfeverordnungen (BVO), das sind Rechtsverordnungen.
    Ganz klar wird die Beihilfe in den Ländern definiert, z. B. in Baden-Württemberg heißt es im § 101 LBG (Landesbeihilfegesetz): »Die Beihilfe soll grundsätzlich zusammen mit Leistungen Dritter und anderer Ansprüche die tatsächlich entstandenen Aufwendungen nicht übersteigen. Sie soll die notwendigen und angemessenen Aufwendungen unter Berücksichtigung der Eigenversorgung und zumutbaren Selbstbehalte decken. In der Regel umfasst die zumutbare Eigenversorgung beim Beihilfeberechtigten 50 % der Höhe seiner Einkünfte, bei wirtschaftlich nicht unabhängigen Ehegatten sowie bei Versorgungsempfängern 30 % und bei Kindern 20 % dieser Aufwendungen« usw.
    Das bedeutet, jeder Beihilfeberechtigte (Beamte) zahlt nur 50 % seiner Privatversicherung, für seine Frau nur 30 % und für seine Kinder 20% selbst! Den Rest zahlt der Steuerzahler! Komplizierter geht’s ja nicht mehr! Ungerechter aber auch nicht. Wozu wird ein Beamter von Staats wegen automatisch privat versichert, und das restliche Fußvolk
muss
sich als Arbeitnehmer dem Punktespiel der KV und Kassen aussetzen?
Erkältung nach Pünktchen und Euro
     
    Lieschen Müller ist erkältet, hat Schluckbeschwerden und Kopfweh. Es ist Winter, und Max Meier, von Beruf Lehrer, hat die gleichen Symptome wie Lieschen Müller. Irgendwie haben sich die Viren verbreitet, und Karin Huber vom Finanzamt ist auch erkältet. Alle drei sitzen in der Praxis des Facharztes für Allgemeinmedizin (Hausarzt). Husten und niesen vor sich hin. Es ist Januar 2008. Bei der Anmeldung gibt Lieschen Müller ihre Versicherungskarte ab. Die Arzthelferin kassiert 10 Euro, und damit wiegt sich Lieschen Müller in Sicherheit, mit ihrem Beitrag in die gesetzliche Krankenversicherung würde ihr Arzt für die Behandlung wohl gut bezahlt werden.
    Ab dem Einlesen der Kassenkarte beginnt das Pünktchenspiel für den Arzt. Zu Recht erwartet Lieschen Müller von ihrem Arzt, dass er sich Zeit nimmt für Diagnose und ein Gespräch. So wie er es eben immer macht in all den Jahren, seit sie Patientin bei ihm ist. Er schaut ihr in den Hals, tastet die Lymphknoten ab, spricht mit ihr und schreibt ihr Lutschtabletten für den Hals, etwas zum Gurgeln und ein fiebersenkendes Schmerzmittel auf. Noch braucht sie

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