Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der verkaufte Patient

Titel: Der verkaufte Patient Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Renate Hartwig
Vom Netzwerk:
keine Antibiotika. Die notwendigen verordneten Medikamente sind bei ihr als Kassenpatientin auf der Selbstzahlerliste. Dafür erhält sie ein »grünes« Rezept: Lieschen Müller verabschiedet sich, geht in die Apotheke und zahlt aus ihrem Geldbeutel 21,50 Euro.Unter Berücksichtigung der 10 Euro »
Praxisgebühr
« investiert sie als Kassenpatientin wegen ihrer Erkältung 31,50 Euro!
    Inzwischen ist der Lehrer Max Meier mit seiner Erkältung im Sprechzimmer. Bei ihm gibt es kein Pünktchenspiel. Er wird nach GOÄ abgerechnet. Als Privatpatient gilt hier der 2,3-fache Satz der GOÄ, d. h., der Arzt erhält 21,44 Euro. Der Arzt weiß innerhalb von Sekunden, was er verdient. Auch Max Meier bekommt die Medikamente wie Lieschen Müller, geht in die Apotheke und zahlt 21,50 Euro, lässt sich eine Rechnung geben und holt sich in der Regel das Geld bei seiner Privatversicherung zurück. Auch bei der Finanzbeamtin gibt es eine klare Berechnung für den Arzt, auch sie rechnet ihre Erkältungsmedikamente in der Regel mit der Versicherung ab. Kurz vor Ende der Sprechstunde, gegen 19.30 Uhr, quält sich der Malermeister Franz Huber mit seinem Infekt zum Arzt. Auch bei ihm zeigt das Gebührenhandbuch klar, dass der Arzt bei ihm Leistungen für exakt 21,44 Euro erbracht hat. Auch er holt sich seine Medikamente in der Apotheke für 21,50 und bekommt diese zu 100 % von seiner Versicherung erstattet.
    Was heißt das jetzt? Lieschen Müller muss als Sachbearbeiterin mit Bruttoeinkommen von monatlich 2800 Euro einen Eigenanteil am Kassenbeitrag (14,9% – davon zahlt sie 7,9 und der Arbeitgeber 7,0) in Höhe von 221,20 Euro bezahlen, damit sie abgesichert ist bei Krankheit. Wird sie krank und geht zum Arzt, zahlt sie als Erstes 10 Euro pro Quartal, die sogenannte Praxisgebühr – die in Wirklichkeit eine indirekte Erhöhung des Krankenkassenbeitrages darstellt. Der Arzt zieht die 10 Euro auf seine Kosten ein und verwaltet sie (natürlich wird diese Dienstleistung von der Kasse gegenüber dem Arzt nicht honoriert, weshalb? Er macht schon so viel umsonst, da kann er das auch noch übernehmen). Ergo hat Lieschen Müller an diesem Tag – zu ihrem Kassenbeitrag – 30 Euro und ein paar Zerquetschte ausgegeben, die sie von niemandem mehr bekommt!
    Der Lehrer, die Finanzbeamtin und der Handwerker mit derselben Diagnose bekommen ihre 21,50 Euro für die Medikamente von der Privatversicherung im Regelfall wieder zurück. Und der Arzt? Der rechnet für die beiden Beamten jeweils den 2,3-fachen Satz GOÄ ab, also 21,44 Euro, und wenn die Beamten wiederkommen, weil die Erkältung nicht besser wurde, sondern schlimmer oder sonstige Symptome auftreten, wird die Arztleistung von der Versicherung für jede Behandlung wieder bezahlt.
    Nur die Kasse von Lieschen Müller zahlt einmalig 900 Punkte mit der zurzeit geltenden Centgebühr von 3,5 pro Punkt! (Bis das Buch erscheint, können das aber auch schon wieder 3,2 Cent sein oder 2,7 oder, oder, oder.) Kommt nun Lieschen Müller wieder, weil ihre Erkältung schlimmer wird oder weil sie noch andere Beschwerden hat, dann bleibt es bei der einmaligen Pauschale von 900 Punkten, also nach Adam Riese 3,5 × 900 Punkte ist 31,50 Euro! Mehr gibt es nicht für den Arzt, egal ob Lieschen Müller einmal oder zehnmal im Quartal kommt!
    Jetzt stelle ich mir natürlich die Frage, aus welchem Grund wird eigentlich die Erkältung der beiden Beamten oder eines Privatversicherten anders berechnet als die Erkältung eines gesetzlich Krankenversicherten?
    Stellen Sie sich einmal ein paar Minuten vor, Sie seien der Arzt, und dieses Lieschen Müller kommt im Quartal mehrfach (Hexenschuss, Pillenrezept, Erkältung und Darmgrippe). Aber die Punkteverteiler haben ihnen verwehrt, die Leistung an Lieschen Müller berechnen zu dürfen. Es bleibt bei den 900 Punkten pro Quartal. Und? Wann würden Sie sagen: »Weshalb wird meine Leistung nicht bezahlt?« Beim zweiten Mal, beim dritten Mal … gar nicht? Dann haben Sie Ihren Beruf verfehlt und sind wie die Ärzte einfach ein Menschenfreund. Und die Palastfürsten in Kassen und KVen freuen sich, dass Ärzte dazu schweigen und die Patienten es bisher nicht wussten. Nur, ab heute wissen Sie es!
    Im Grunde müsste ein Gremium diesen Irrsinn in der Gesetzgebung durchforsten, und das Ganze könnte innerhalb kürzester Zeit völlig neu geordnet werden. Zum Beispiel Lieschen Müller kommt mit ihrer Karte zum Arzt. Auch für sie gilt die GOÄ. Sogar wenn der Arzt den GOÄ-Einfachsatz nehmen

Weitere Kostenlose Bücher