Der verkaufte Patient
nimmer rechtswidrig. Wer dies erklärt, kriminalisiert einen Berufsstand, der seit Jahrzehnten ein hohes Ansehen genießt. Medizinerrechtler schütteln obdieses ungeheuerlichen Missbrauchs staatlicher Macht nur ungläubig den Kopf. »Dass so etwas in Deutschland möglich ist!«, sagt eine Medizinrechtsexpertin.
Zweiter Versuch: Bis heute ungeklärt blieb, wie ausgerechnet der große Gegner der Hausärzte, der bayerische KV-Chef Dr. Axel Munte, an Unterlagen gelangt sein konnte, mit denen sich der Hausärzteverband vor weiteren Blockaden seiner Ausstiegsversammlung schützen wollte. Munte zitierte bei einer Pressekonferenz am 30. Januar 2008 in Nürnberg, 14 Uhr, Hotel Mercure, aus einer Schutzschrift, die bei mehreren Gerichten am Vortag hinterlegt worden war. Mit dieser wollten die Hausärzte verhindern, dass ein Dritter versucht, bei Gericht per einstweiliger Verfügung ihr Treffen zu verhindern. Inzwischen hat sich herausgestellt, dass niemand eine solche Verfügung beantragte. Doch wie kommt Munte an den Inhalt der Schutzschrift, die nur das Gericht kennen konnte? Wie blind ist Justitia in Bayern eigentlich? Oder soll ich fragen: wie unabhängig? Rechtsexperten sind sich jedenfalls sicher: Der Inhalt einer Schutzschrift kann legal nur an Kläger oder Beklagte ausgehändigt werden. Munte war weder das eine noch das andere.
Die Gesundheit ist sicher
Der Ausstieg der Ärzte aus dem System der KVen ist alles andere als eine Bagatelle am Rand. Sieht man die heftigen bis panischen Reaktionen der Politiker und der Funktionäre von Kassen und KVen, so scheinen sie sehr gut zu verstehen, was das ist: Es ist die Rebellion gegen ein Zwangssystem. Es ist die Erstürmung der Bastille. In Bayern und anderswo bauen die Politiker ein Drohszenario auf, als würde sich ein neuer Abgrund von Landesverrat auftun, als gäbe es eine Staatsbedrohung, der man nur mit einer Generalmobilmachung begegnen könne.
Wer sich aus der Deckung wagt, bekommt die Faust der Macht zu spüren. Ärztliche Standesvertreter werden zu Vier-Augen-Gesprächen gebeten und unter massiven Druck gesetzt. Drohbriefe schwirren durch die Luft. Ärzte werden mit brutalen Angstkampagnen überzogen. In kleinen, konspirativen Zirkeln hocken sie beisammen und fragen sich: Will der Staat uns tatsächlich in den Ruin treiben? Wird man ein Berufsverbot über uns aussprechen? Und dann erzählt einer: »Heute schon werden Ärzte aus Weißrussland in Schnellkursen auf die deutsche Sprache vorbereitet, um im Osten Deutschlands eingesetzt zu werden …«
Wo ein Politiker ans Mikrofon tritt, verteilt er rhetorisches Valium: Man sei absolut auf der Seite der Ärzte und Patienten. Man werde es doch nie zulassen … Die bayerische Sozialministerin Stewens behauptet: »Wir wollen, dass die hausärztliche Versorgung erhalten bleibt.« Die Leute lachen nur noch, glauben ihr so wenig wie seinerzeit Norbert Blüm, als er landauf, landab verkündete: »Die Rente ist sicher!« Frau Stewens, wie wär’s mit dem Slogan: »Die Gesundheitsversorgung ist sicher!«? Hektisch wird eine Expertenkommission einberufen. Alle Varianten von Zuckerbrot und alle Arten von Peitschen sind im Einsatz.
Und dabei geht es doch nur darum, dass eine relativ kleine Gruppe von Menschen – ein paar tausend Ärzte – anders für erbrachte Leistungen abrechnen möchte: Nicht mehr über die KVen (Kassenärztliche Vereinigungen), sondern direkt mit der Kasse. Der Bürger fragt sich: Steht der Aufwand des politischen Frontalangriffs auf die freien, niedergelassenen Ärzte denn in irgendeiner Relation zum Anlass? Warum der Einsatz der schweren politischen Artillerie?
Ein
Politiker, einer wenigstens, ermutigt die Ärzte, den Weg der Rückgabe der Kassenzulassung zu gehen. Friedrich Merz schrieb einem der Köpfe des Widerstands, dem bayerischen Hausärztechef Wolfgang Hoppenthaller: »Ich weiß, dass dieser Schritt Ihnen und vielen Berufskollegen sehr schwerfällt.Er ist ja auch sozusagen ›ultima ratio‹ (letzte Lösung) in Ihrem Protest gegen die jahrzehntelange Fehlentwicklung in unserem Gesundheitssystem. Aber leider haben alle Proteste gerade der niedergelassenen Ärzte gegen die sog. ›Gesundheitsreformen‹ der letzten Jahre so gut wie nichts bewegt. Stattdessen werden Sie von einer immer stärker werdenden Bürokratie gegängelt und bevormundet. Das ist von großen Teilen der Politik so gewollt und bewusst herbeigeführt. Das Berufsbild eines verantwortlich handelnden freiberuflichen Arztes, der
Weitere Kostenlose Bücher