Der verkaufte Patient
Gesundheitssystems im Ganzen ist,
warum der Ausstieg der Ärzte die einzige Chance für uns Patienten ist, die Solidargemeinschaft im Gesundheitswesen (jung für alt, gesund für krank), die freie Arztwahl und das Arztgeheimnis zu erhalten.
Vorspiel: Neue Worte für die »Vision«
Wer sich über die Medizin der Zukunft informieren will, findet sich wieder in einer Welt von Worthülsen. Von
Integrierter Versorgung
ist da beispielsweise die Rede und von
Case Managern
. Die Szene hat sich Worte auf den Leib geschneidert, einen vielfach mit Anglizismen durchsetzten Jargon entwickelt – und wie bei allen Totalitarismen ist die Übernahme von Wörtern schon ein Stück Übergabe von Macht. Ich kann nur sagen: Klopfen Sie die Worte ab, jedes einzelne von ihnen! Seien Sie misstrauisch bei allen Wortbildungen mit den Silben oder Wörtern
sana, medical, t(h)era, monitoring, health, service, center, case, care, coach, call
. Oft stecken Unternehmen oder Konzerne dahinter, die sich mit diesem mild timbrierten, professionell daherkommenden Neusprech karitativ-therapeutisch tarnen, in Wahrheit aber auf nichts anderes aus sind als auf unsere Ersparnisse.
So steckt beispielsweise hinter dem Wort
Integrierte Versorgung
, das sich scheinbar mühelos im Gesundheitswesen durchgesetzt hat, nichts anderes als der Versuch, eine lückenlose Wertschöpfungskette im privatisierten Gesundheitswesen zu schaffen – ein Netz, aus dem Sie, liebe Patientin, lieber Patient, nicht mehr herausfinden, bis Sie Ihres Geldes beraubt sind.
Integrierte Versorgung
ist der Tarnname für den Tropf, an den Sie gehängt werden sollen. Ich habe mich lange genug mit Manipulationstechniken und der Umdeutung von Begriffen auseinandergesetzt, als dass mir die Untertöne von solchen Schönwetterwörtern wie
Integrierte Versorgung
entgingen. In Psychosekten ist davon die Rede, man müsseeine Person, eine Gruppe, ein Unternehmen »auf Linie bringen«.
Integrierte Versorgung
will auch »auf Linie« bringen.
Integrierte Versorgung
kann ganz schön böse werden, wenn partout jemand nicht »auf Linie« will. Das spüren gerade unsere Hausärzte.
Case Manager statt Hausarzt
Und damit Sie aus dem einmal eingefädelten Abhängigkeitsverhältnis auch ja nicht mehr herauskommen, dass Sie aus dem Firmenverbund nicht nach rechts und nicht nach links ausbüchsen, stellt man Ihnen einen Aufpasser zur Seite. In Neusprech heißt er
Case Manager
. Er steuert Ihren »Fall«. Und er steuert im Auftrag einer
Firma
, die Ihren Fall mit einer Logistik versieht, wie sie für die Steuerung einer Kuh in der Käse- und Fleischproduktion passt. Sprich: Die Investition des Unternehmens ist in einer Renditerechnung auf das Werkstück, das Sie sind, heruntergebrochen. Es muss eine bestimmte, vorher geplante Rendite hängen bleiben, wenn Sie alle für Sie anwendbaren Stationen der Wertschöpfungskette durchlaufen haben. Sie sind ein Renditeobjekt. Patient waren Sie früher.
Natürlich erklärt das System das Berufsbild
Case Manager
ganz anders. Vom »Lotsendienst im Hilfenetz« ist die Rede. Wikipedia lässt uns wissen, ein
Case Manager
sei »ein junges, aus den USA übernommenes Berufsbild im Gesundheitswesen. Die Position wird vorwiegend von Pflegekräften besetzt, die im Interesse des Patienten handeln, um eine durchgängige Behandlung über Sektoren, Fachgebiete und berufliche Kompetenzen hinweg sicherzustellen … Case Manager helfen also sparen. Mehr noch: Sie sorgen dafür, dass der Hausarzt alle Informationen für die weitere Therapie bekommt, und stimmen die geplante Behandlung mit der Versicherung ab. Case Manager vernetzen so stationäre und ambulante Behandlung,sie verzahnen die gesamte medizinische Behandlungskette. Entsprechend kennen sie sich mit den Abläufen zwischen Patient, Hausarzt, Krankenhaus, Rehabilitation und Krankenkasse bestens aus. In der Regel arbeiten sie in Krankenhäusern oder Reha-Einrichtungen, inzwischen auch schon für Krankenkassen.«
War es nicht einmal der freie, niedergelassene Hausarzt, der als neutraler Anwalt des Patienten dafür sorgte, dass dieser die richtige Überweisung zum richtigen Facharzt oder in die Klinik erhielt, damit eine Kurmaßnahme, eine Mutter-Kind-Erholung angeordnet wurde? War er es nicht, sagt uns der gesunde Menschenverstand, der vor Ort mit Rat und Tat zur Seite war, wenn die Angehörigen einen Schwerkranken zu Hause pflegten? Kam er nicht auf Hausbesuch, wenn die Kinder krank waren? War er nicht der Vertrauensmensch,
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