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Der verkaufte Patient

Titel: Der verkaufte Patient Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Renate Hartwig
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Untersuchung reichen. Augen, Ohren, Nase, Mund und Hände sind immer noch das beste Handwerkszeug eines Arztes« (Dr. Werner Bartens). Aber das wäre nun überhaupt nicht in seinem und schon gar nicht im Interesse von HEALTHY-POP-WEALTHY. Deine Gesundheitskarte, das hat der Case Manager längst für den Arzt ermittelt, gibt noch wenigstens eine Röntgen- oder gar eine Kernspin- und Computertomographie-Untersuchungher. Also darfst du in die Röhre. Aber morgen erst. Erst mal mit SANA-ZACK-MOBIL nach Hause, nicht ohne einen Zwischenstopp bei der Partnerapotheke APO-SANA zum Einkauf eines zuzahlungspflichtigen Präparats der Partnerfima HEALTH-PHARM.
    SANA-ZACK-MOBIL bringt dich am nächsten Tag wieder in das MVZ. Du wirst durch die 2,5 Millionen Euro teure Röhre geschoben (wer sie gebaut, geliefert, montiert hat und wer sie wartet, wollen wir jetzt mal außen vor lassen). Der Schlechtbezahlte mit dem Käppi schaut sich jedenfalls sorgenvoll das CT-Bild an: »Hm, gefällt mir gar nicht – dieser Schatten da, links oben.« – »Und was jetzt?«, fragst du deinen Case Manager. »Sie haben die Wahl«, klärt er dich dann auf: »Man kann die Sache auf sich beruhen lassen, oder aber wir tun Sie mal für ein paar Tage ins HEALTHY-Resort!« – »In
was
wollen Sie mich tun?«, wirst du fragen. »Na, in die Diagnoseklinik! Mit ein paar Beziehungen könnte ich da ganz schnell ein Bett für Sie frei machen«, antwortet dein Case Manager, wobei er dir (wo ihr euch nun so lange kennt) auch mal sagen könnte, dass das HEALTHY-Resort wie all die anderen Firmen, von denen ich dir gerade erzählt habe, eigentlich dieser bunten italienischen Kleiderfirma gehört, mir fällt der Name nicht gleich ein. Du interessierst dich doch für Mode, nicht wahr?
    Mehr noch möchtest du wissen: »Ist das gefährlich, was ich da habe … und: Übernimmt das die Kasse?« Du hast großes Vertrauen in den netten Case Manager; immerhin hat er sogar Medizin studiert. Und dann bekommst du es mit der Angst zu tun; er schaut nämlich über seine randlose Brille und sagt: »
Also ich, an Ihrer Stelle … ich würde das abklären lassen!«
– »Und was ist mit der Kasse? Bezahlt die das?« – »Habe ich für Sie schon abgefragt«, wirst du dann hören, »und ich habe eine positive Nachricht: Die zahlen – aber leider nur für die ersten beiden Tage, abzüglich natürlich eventuell anfallender Laborleistungen. Das ist kundenseitig zu erbringen …« Du überhörst den letzten Halbsatz. »Und das dauert länger?«, willstdu wissen. Er soll dir auch sagen, was das in Euro und Cent schließlich kosten könnte, … na, wenigstens so ungefähr, genau kann man das ja nicht wissen.
    Ich will es kurz machen, Tante Ella. Es kostet dich ein paar tausend Euro, die du vielleicht gar nicht hast. Aber weil Gesundheit das Wichtigste in deinem Leben ist, setzt du alles auf eine Karte. Man kann das Materielle ja sowieso nicht mit ins Grab nehmen. Der nette Case Manager, der sich wirklich, wirklich um alles kümmert, verschafft dir sogar einen günstigen Kredit bei der SANA & SANELLA-Bank. Du wirst ein bisschen medikamentiert, ein bisschen operiert, ein bisschen in Reha geschickt, was deine Karte eben ausschöpfungstechnisch hergibt. Schließlich (wenn du noch ein Häuschen hast, das man versilbern kann) zur finalen Pflege in eines dieser feinen ST.-SANA-Seniorenheime vermittelt. Sonst musst du zur Arbeiterwohlfahrt, zur Caritas oder zum Paritätischen Wohlfahrtsverband. Da stirbt sich’s ja auch. Hast du keine Mühe mit, macht alles der nette Case Manager. Jedenfalls ist sicher: Eins greift in das andere. Alles wird dir abgenommen, wie du es dir immer schon für dein Alter erträumt hast.
    Und, liebe Tante Ella, wenn die noch ein Stück weiter sind mit ihrem hilfreichen Firmenverbund und der Integrierten Versorgung, gehört eines Tages auch noch ein Bestatter dazu.
Anpassen oder ausschalten!
     
    Für diese Art von Rundum-Erlösung, wie ich sie Tante Ella einmal skizziert habe, sind die Pflöcke längst eingeschlagen. Ein letztlich rein wirtschaftlich gesteuertes Gesundheitssystem korrespondiert auf das schönste mit dem, was der Kölner Arzt und Psychotherapeut Manfred Lütz »Gesundheitsreligion« nennt. Für deren Anhänger ist Gesundheit das höchste Gut; sie würden
alles dafür geben
. Hier ist das System, das sagt: Wenn das so ist –
ich nehme alles!
Schon frohlockt ExsenatorUlf Fink auf der Apollon-Hochschule der Gesundheitswirtschaft: »Wir haben jetzt die

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