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Der verkaufte Tod

Der verkaufte Tod

Titel: Der verkaufte Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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ihn drückende Vinja gelegt, so wie er es mit ihrer Mutter getan hatte, seiner Schwester und seiner Geliebten zugleich. Was werde ich mit dem vielen Geld tun? dachte er immer wieder. Ich muß mit ihm etwas Gutes anfangen, etwas Dauerhaftes, einen richtigen Beruf, der Geld bringt und den man ausbauen kann. Einen Stoffhandel vielleicht oder Touristenrundfahrten mit einem Boot oder eine Straßenküche auf einem der Märkte oder Plätze in der Innenstadt. Eine Genehmigung würde er bekommen, wenn er mit dem Antrag auch die nötigen Rupien über den Tisch schob. Es mußte alles anders werden, ein neues Leben von Beginn an. Eine Niere für die Zukunft, das war ein ehrliches Geschäft.
    Der Bank schräg gegenüber war ein modernes Bürogebäude mit einer Uhr an der Stirnseite. Ab und zu kroch Tawan leise zum Eingang seiner Behausung und las die Zeit ab – als es fünf Uhr war, zog er sein bestes Hemd und seine sauberste Hose an, gab der schlafenden Vinja einen Kuß auf die Stirn, streichelte über ihr Gesicht und verließ sie. Er ging die Straße hinunter bis zu einer Kreuzung, wo Taxis standen, trat an eines heran und beugte sich durch das offene Fenster zu dem dösenden Fahrer. Der Mann schrak auf.
    »Ich möchte gefahren werden«, sagte Tawan.
    Der Taxifahrer musterte Tawan. Trotz des sauberen Hemdes und der einwandfreien Hose erkannte er in ihm den Gossenschläfer. Taxifahrer haben ein Auge dafür. Außerdem war es der Geruch, der am Körper und den Kleidern klebte und den kein Wasser herauswaschen konnte. Ein Geruch, der sich in die Poren gefressen hatte und ständig wieder ausgestoßen wurde.
    »Geh weg, du Stinktier!« sagte der Taxifahrer, als ekele er sich. »Vertreib mir nicht die Kundschaft.«
    »Wo ist Kundschaft? Ich bin die Kundschaft.«
    »Du bist ein Arschloch, und ich fahre keine Arschlöcher.«
    »Wie du willst.« Tawan ging um den Wagen herum, riß die Tür neben dem Fahrer auf und schwang sich auf den Sitz.
    Der Taxifahrer ließ beide Fäuste vorschnellen, aber mitten in der Bewegung hielt sein Schlag an. Tawan hatte sein beidseitig geschliffenes Messer gezogen und hielt es ihm entgegen.
    »Damit kommst du nicht weit«, knirschte der Fahrer.
    »Bis zur Belvedere Road, wo ich hin will. Zur Klinik von Dr. Banda.«
    »Um diese Zeit?«
    »Dr. Banda wartet auf mich.«
    Wer in Kalkutta kannte nicht die Klinik von Dr. Banda? Vor allem die Taxifahrer verbeugten sich tief, wenn ein Fahrgast die Adresse nannte. Wer zu Dr. Banda fuhr, hatte im Leben den Goldhügel erklommen.
    Der Fahrer sah Tawan noch einmal an und hob schnüffelnd die Nase. »Du lügst!« sagte er dann. »Wie kann er jemand wie dich erwarten?«
    Tawan stieß sein spitzes, scharfes Messer in die Kunststoffverkleidung des Armaturenbrettes und lehnte sich zurück. Der Fahrer starrte auf das Messer, schluckte mehrmals, aber schwieg. Der Fahrgast sah nicht so aus, daß man sich mit ihm erfolgreich prügeln konnte. Er hatte Muskeln, die sein Hemd spannten.
    »Ich kann bezahlen«, sagte Tawan und zeigte ein Bündel Rupienscheine vor. »Fahr los, du Hurensohn! Ich darf nicht zu spät kommen.«
    »Ich muß einen Aufschlag von zwei Rupien nehmen«, antwortete der Fahrer.
    »Wofür?«
    »Der Wagen muß gelüftet werden, bevor ich einen neuen Gast aufnehme. So setzt sich keiner rein.«
    »Drei Rupien bekommst du sogar«, sagte Tawan genüßlich. »Dafür werde ich beim Aussteigen in dein Klapperauto furzen. Fahr los!«
    Die Banda-Klinik lag noch in völliger Dunkelheit, als Tawan das Taxi verließ. Er hatte seine Drohung nicht wahr gemacht und in den Wagen gefurzt. Der Fahrer atmete auf, als er sein Geld bekommen hatte, und raste sofort wieder davon. Der Nachthimmel zeigte bereits schmale Streifen von Helligkeit; in ein paar Minuten würde die Sonne aufsteigen und die Stadt und den Fluß mit einem rotgoldenen Schleier überziehen. Alle Häßlichkeit würde dann im Morgendunst verzaubert werden.
    Langsam ging Tawan die Auffahrt zur Klinik hinauf. Plötzlich spürte er, wie wild sein Herz klopfte. Vor dem Eingang blieb er stehen und preßte die Fäuste gegen seine Brust. Das ist Angst, dachte er. Ja, Tawan, das ist Angst. Sich eine gesunde Niere herausschneiden zu lassen ist schließlich nichts Alltägliches. Aber auch dreißigtausend Rupien sind nichts Alltägliches. So muß man das sehen, Tawan, du Angsthase! Die Angst macht sich bezahlt – das ist das Besondere in deinem Leben. Du hast Todesangst, aber du wirst dafür fürstlich bezahlt. Nächste Woche

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