Der verkaufte Tod
Tawan trocknete sich ab. Mißtrauen stieg wieder in ihm hoch, die Panik, daß man ihn töten und wie ein Auto ausschlachten könnte. »Ich brauche doch Hose und Hemd.«
»In einer Woche. Wir werden dir deine Lumpen sogar desinfizieren, kostenlos, als Dienst am Kunden. Hier in der Klinik bekommst du von uns ein langes, sauberes weißes Hemd.«
Lautlos öffnete sich die Tür. Eine Schwester rollte eine fahrbare Liege in das Badezimmer und musterte Tawan. Welch ein abschätzender Blick! Tawan schämte sich, daß er nackt vor diesem schönen Mädchen stand, und schlang das Badetuch um seinen muskulösen Körper. Eine Erinnerung tauchte in ihm auf: Baksa, seine Schwester, die kleine, hübsche Hure, wie sie in seinen Armen lag, ihn überall streichelte, wie eine Schlange über ihn kroch, ihn in sich aufnahm und in sein Ohr flüsterte: »Du hast den schönsten Körper aller Männer. Tawan, mein Bruder, ich liebe nur dich.« War es das heiße Bad? Dieses Gefühl von damals war wieder da, und Tawan war froh, sich in dem Badetuch verstecken zu können.
»Hinlegen!« befahl der dicke Pfleger und zeigte auf die Liege. Er wollte Tawan das Badetuch wegnehmen, aber der klammerte sich an ihm fest.
»Ich soll doch ein Hemd bekommen«, sagte er und wich zurück.
»Nach der Operation! Nun leg dich endlich hin!«
»Nackt?«
»Wie sonst?« Plötzlich begriff der Pfleger. Er grinste genußvoll und riß mit einem unverhofften, harten Ruck das Tuch von Tawans Körper. »Sieh an, sieh an, da steht ja ein Soldat stramm. Aber Schwester Saida hat schon anderes gesehen.«
Sie lachten alle drei, der dicke Pfleger gab Tawan einen Klaps auf den nackten Hintern und schubste ihn zu Schwester Saida. Verlegen, beschämt und gleichzeitig mit Gedanken an Rache legte sich Tawan auf die Liege und schloß die Augen. Er spürte, daß man ein Tuch über ihn zog, und hörte den Dicken sagen: »Keine Angst, Mann! Auch mit einer Niere kannst du pinkeln wie bisher. Und freue dich – nach der Operation kümmern wir uns um dich. Du sollst dich immer an uns erinnern.«
Tawan behielt die Augen geschlossen. Er wurde aus dem Bad gerollt, fuhr mit einem Lift wieder nach unten, einige Türen klappten, Stimmen umgaben ihn. Da erst öffnete er wieder die Augen. Er lag in einem grün gekachelten, hell erleuchteten Raum, eine Schwester mit einer grünen Atemmaske trat an ihn heran und besprühte seinen nackten Körper mit einer Hautdesinfektionslösung, die stark nach Alkohol duftete, und eine andere Grüngekleidete beugte sich über ihn, hielt eine Spritze in der Hand und gab ihm die erste Injektion.
Tawan atmete tief durch. Leb wohl und gut, meine Niere, in dem anderen Körper, dachte er. Du hast mir treu gedient; tu's auch bei deinem neuen Herrn. Blamier mich nicht – du bist doch eine starke, gesunde Niere. Leb wohl!
Eine lähmende Müdigkeit überfiel ihn plötzlich. Er hatte Mühe, die Augen offen zu halten und zu beobachten, was um ihn herum geschah. Er sah ein paar Männer in langen grünen Kitteln, die nebeneinander an Waschbecken aus Edelstahl standen und sich die Hände und Unterarme wuschen und schrubbten. Über ihre Haare hatten sie grüne, runde Kappen gezogen, der Mundschutz baumelte unter ihrem Kinn.
Das sind die Ärzte, dachte Tawan. Sie werden mich gleich aufschneiden und meine Niere herausholen. In ihren Händen wird mein Leben liegen. Seid vorsichtig mit mir, liebe Ärzte, ich will noch lange leben, und ich muß für Vinja sorgen. Schneidet nicht daneben.
Die Bilder um ihn herum begannen wie im Nebel zu schwimmen. Mit aller Kraft stemmte sich Tawan dagegen. Die Angst ergriff ihn wieder, nicht mehr aufzuwachen. »Ich will etwas sagen!« rief er verzweifelt und erkannte seine eigene Stimme nicht wieder. »Ich will etwas sagen! Hört mich! Hört mich! Komm' doch jemand her zu mir!«
Aber niemand beachtete ihn. Nur die Schwester, die ihm die Injektion gegeben hatte, kam zu ihm und sah im Nebel aus wie ein grünes Gespenst. »Schrei nicht so!« herrschte sie ihn an. »Du wirst schon nichts merken. Du bist nicht der erste, der eine Niere verkauft hat. Halt den Mund!«
Tawan wollte noch etwas sagen, aber die Schwester ging schnell wieder weg. Er kämpfte gegen die Müdigkeit an und hoffte, doch noch einen der Ärzte sprechen zu können, bevor er völlig betäubt wurde. Nur ein paar Worte wollte er sagen. Nur, daß er Freunden gesagt habe, daß man ihn hier suchen solle, wenn er nicht mehr zurückkäme. Als Sicherheit, daß man nicht alles aus
Weitere Kostenlose Bücher