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Der verkaufte Tod

Der verkaufte Tod

Titel: Der verkaufte Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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eine Woche.«
    »Und was soll in dieser Zeit mit Vinja werden?«
    »Das ist dein und nicht unser Problem.« Der Bote von Chandra Kashi warf einen abschätzenden Blick auf das Mädchen. »Wird sich schon jemand finden, der sie mitnimmt ins Bett. Die Europäer sind wild auf solche Kleinen.«
    Er warf sich herum und rannte davon, ehe Tawan erneut vorstürzen und ihm in den Unterleib treten konnte. Als er unter das Dach zurückkehrte, starrte ihn Vinja aus ängstlichen Augen an.
    »Was hat dieser Mann von Operation gesagt, Onkel?« fragte sie. »Wer wird operiert?«
    Tawan setzte sich auf die dünne Schaumgummi-Unterlage – er hatte sie von seinem ersten Vorschuß gekauft – und legte den Arm um Vinjas Schulter. Er spürte, wie sie zitterte, aus einer instinktiven Angst heraus, die ihr sagte, daß etwas Unentrinnbares auf sie zukam. »Ich«, sagte er.
    Vinja drückte sich eng an ihn. »Du bist krank, Onkel Tawan?« flüsterte sie, als könne man die Krankheit durch einen lauten Ton noch mehr aufwecken.
    »Nein, ich bin nicht krank, ich bin gesund, sehr gesund, Vinja – und deshalb werde ich operiert.«
    »Das verstehe ich nicht.«
    »Ich will versuchen, es dir zu erklären.« Er drückte Vinja noch fester an sich, und seine Stimme bekam den Klang eines Märchenerzählers auf dem Nachtmarkt am Hafen. »Jeder Mensch, du, ich, alle Menschen haben zwei Nieren. Auch eine Kuh hat zwei Nieren, ein Schaf, ein Schwein, eine Ziege.«
    »Auch ein Hund?«
    »Auch ein Hund. Und wie alles, was in einem Körper ist, kann auch eine Niere krank werden, so krank, daß sie nicht mehr arbeitet. Und wenn beide Nieren nicht mehr arbeiten, muß der Körper sterben. Er vergiftet sich von innen. Verstehst du das, Vinja?«
    »Ja, Onkel Tawan.«
    »Nun ist es aber so, daß der Mensch – bei den Tieren weiß ich das nicht – mit nur einer Niere leben kann. Eine Niere genügt, um jeden Tag den Körper zu entgiften.«
    »Du bist so klug, Onkel Tawan«, sagte Vinja leise und kuschelte sich an seine Schulter.
    »Ich habe das auch nur gehört und mir erklären lassen. Und nun stell dir vor: Da ist ein Mensch, dem sind beide Nieren krank, und er muß sterben, wenn er keine neue, gesunde Niere bekommt. Und da bin ich, und ich habe zwei gesunde Nieren und kann eine Niere abgeben und trotzdem weiterleben. Aber den anderen Menschen kann ich retten, indem ich ihm meine Niere überlasse. Begreifst du das?«
    »Ja.« Vinjas große schwarze Augen starrten Tawan voll plötzlichen Begreifens an. »Du willst –«
    »Ja, Vinja. Ich habe eine Niere verkauft.«
    »Du hast sie verkauft? Man kann ein Stück seines Körpers verkaufen?«
    »Du ahnst gar nicht, was man alles verkaufen kann. Sogar das Herz.«
    »Aber dann ist man ja tot.«
    »Natürlich. Doch die Erben bekommen viel Geld dafür. Ich habe es mir von Chandra Kashi erklären lassen. Er wird meinen ganzen Körper verkaufen. Und du, Vinja, wirst einmal eine reiche Frau werden, so reich wie die Frauen der großen Händler und der Brahmanen-Herren.«
    Vinja schwieg. Sie schien alles zu überdenken, was Tawan erzählt hatte, und hob dann den Kopf. »Jetzt hast du eine Niere verkauft?« fragte sie.
    »Ja. Weil sie praktisch überflüssig ist.«
    »Und du bekommst Geld dafür?«
    »Wir werden keine Sorgen mehr haben. Wir werden in einem richtigen Haus wohnen, du wirst dir die schönsten Kleider kaufen können, ich werde einen richtigen Anzug haben, ein Hemd mit Krawatte, blanke, lederne Schuhe, wir werden aussehen wie die, die uns bisher die Münzen auf den Teller warfen, wir werden unter einem Sonnenschirm in einem Café sitzen, und der Kellner wird freundlich sagen: ›Was darf ich Ihnen bringen, Sir?‹ Darf – und bis heute hätte er uns weggejagt wie Ratten. Es wird sich alles ändern, Vinja. Alles.«
    Das Mädchen nickte, aber es schien sich nicht zu freuen über den plötzlichen Reichtum, von dem Onkel Tawan erzählte. Vielleicht glaubte sie ihm gar nicht – sie hatte in ihrem bisherigen Leben nur Betrug kennengelernt, nur den Kampf ums nackte Überleben; warum sollte jetzt jemand einem Rechtlosen wie ihm eine Niere wegnehmen und dafür bezahlen? Wegjagen würde man ihn, wenn er aus der Operation erwachte, ihn mit Tritten auf die Straße werfen wie einen räudigen Hund. Die Polizei würde ihn nur auslachen – ein stinkender Bettler klagt einen angesehenen Arzt an. Und wenn er weiter lamentierte, würde man ihn auch noch wegprügeln. »Morgen nimmt man dir deine Niere weg, Onkel Tawan?« fragte

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