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Der verkaufte Tod

Der verkaufte Tod

Titel: Der verkaufte Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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zäh. Sie hält auch eine Woche durch.«
    »Sie sehen das falsch, Ma'am. Vinja ist meine Nichte. Wir suchen eine Wohnung, und bis wir sie gefunden haben, wollen wir bei Ihnen übernachten. Sie werden wenig Mühe mit uns haben.«
    »Ihre Nichte?« Die Miene der Wirtin hellte sich auf. Ja, sie wurde sogar verlegen. »Ich muß mich entschuldigen«, sagte sie und warf einen liebevollen Blick auf Vinja. »Ich habe an etwas anderes gedacht.«
    »Das habe ich bemerkt. Sehe ich aus wie ein Kerl, der Kinder schändet?«
    »Wer sieht schon so aus? Gerade die vornehmsten Herren sind die schlimmsten. Wer Geld hat, kauft sich, was er will und wie er es will. Ich habe dreißig Jahre Erfahrung.« Die Wirtin war sichtlich erleichtert. Geld ist Geld, dachte sie wieder. In meiner bescheidenen Herberge fragt man nicht, wer es einem auf den Tisch legt. Es wäre ein Luxus, seine Gäste auszusuchen und stolz und abweisend zu sagen: »Nein, ich gebe Ihnen kein Zimmer. Wer Kinder mißbraucht, hat bei mir nichts zu suchen. Gehen Sie zur Pension Awram, da werden Sie sogar bei Ihrer Sauerei gefilmt!« So etwas konnte man sich nicht leisten, man konnte nur wegsehen und kassieren. »Wir sollten über den Preis reden, Mr. –«
    »Tawan Alipur.«
    »Mr. Alipur.« Die Wirtin setzte sich auf einen Stuhl Vinja gegenüber und stützte die Arme auf ihre gewaltigen Oberschenkel. »Es ist eine einfache Rechnung: Wenn ich ein Zimmer stundenweise vermiete, kommt am Tag eine gute Summe heraus. Auf einen Dauermieter bin ich nicht eingestellt, denn wenn ich für sieben Tage – wie bei Ihnen – den Stundenpreis nehme, können Sie auch im Palasthotel absteigen. Klar gesagt: Bei einem Dauermieter habe ich einen Verlust. Aber ich lebe nun mal von meinem Hotel.«
    »Wieviel verlangen Sie?« fragte Tawan und schnitt damit ihren Redeschwall ab. »Wir werden uns schon einigen.«
    »Wenn ich Ihnen das Zimmer vermiete, dann nur, weil das Mädchen so schön ist und ihr linker Fuß verkrüppelt. Vinja heißt du?«
    »Ja«, antwortete Vinja. »Aber ich will kein Mitleid.«
    »Wie ist es passiert?« Die Wirtin beugte sich etwas vor, ihre Riesenbrüste sprengten fast das Kleid. »Ein Unfall?«
    »Nein, ein Überfall.« Tawan griff in die Jackentasche und holte ein Bündel Rupienscheine hervor. »Während ihre Mutter, meine Schwester, arbeitete, schlichen sich Unbekannte in die Hütte und schnitten Vinja die Zehen ab. Wir nehmen an, es waren Hungernde, die sich so ein Stückchen Fleisch beschafften!«
    »Wie schrecklich! Diese Stadt ist die Hölle!« Die Wirtin musterte Tawan wieder und kam zu keinem Ergebnis. Der Seidenanzug irritierte sie und paßte nicht zu seiner Erzählung von Vinjas Verstümmelung. In einer Hütte, hatte er gesagt. Das kann viel bedeuten: die aus Brettern, Planen, Wellblech und zu Platten gehämmerten Benzinfässern bestehenden Behausungen in den Slums, eine Fischerhütte am oberen Fluß oder eine Hütte aus Bambus, Reisstroh und Lehm in einem der Dörfer im Hinterland. Auf jeden Fall war Mr. Alipur nicht wohlhabend geboren worden, kam nicht aus einer Familie, in der ein Seidenanzug das billigste Kleidungsstück war, sondern er mußte von ganz unten kommen, aus jener verzweifelten Welt, in der man Kinderzehen abschnitt, um sie zu braten oder eine Suppe daraus zu machen. Aber jetzt trägt er einen Seidenanzug, hat ein Bündel von Rupienscheinen in der Hand und will wie ein vornehmer Herr behandelt werden.
    »Was kostet das Zimmer für eine Woche?« fragte Tawan wieder. »Beginnen wir mit dem Handeln!«
    »Ich handle nicht, ich habe feste Preise.« Die Wirtin lehnte sich wieder zurück. »Ich rechne vom normalen Preis ab, daß ich nicht täglich fünf- oder sechsmal das Bettlaken wechseln, sondern es nur einmal waschen muß, wenn Sie ausgezogen sind. Sie beschmutzen nichts. Sie machen keine Flecken in die Decke, das muß man alles abrechnen. Es wird ein vernünftiger Preis werden.«
    »Wieviel?« fragte Tawan kurz.
    Die Wirtin hob die Schultern. Den herrischen Ton hat er sich schon angewöhnt, dachte sie. Womit mag er sein Geld verdienen? Was hat ihn zu einem wohlhabenden Mann gemacht? Wer aus der Tiefe von Kalkutta kommt und plötzlich zu einem Herrn wird, kann es nur mit Betrug oder Brutalität geschafft haben. Brutal aber sieht dieser Tawan Alipur nicht aus. Doch der Mörder damals schien auch ein braver, gut erzogener Mensch zu sein, der sich heimlich weggeschlichen hatte, um ein paar Stunden gekaufte Liebe zu genießen. Und was tut er? Er würgt

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