Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der verkaufte Tod

Der verkaufte Tod

Titel: Der verkaufte Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
dieser Mr. Alipur doch, dachte sie, sympathisch, aber undurchsichtig. Bestimmt macht er dunkle Geschäfte, und die Polizei sucht ihn. Deshalb versteckt er sich bei mir. Aber was geht's mich an? Er hat bezahlt, das allein ist wichtig.
    Vinja sah ihren Onkel an, wartete, bis Frau Bangaon gegangen war, und sagte: »Aber wir haben doch gar keinen Koffer.«
    »In einer halben Stunde werden wir einen haben. Einen schönen Koffer aus Leder, voll mit Kleidern, Wäsche und was man so braucht.« Tawan strich seinen weißen Seidenanzug glatt. »Jetzt gehen wir einkaufen, Vinja. Du wirst dich selbst nicht wiedererkennen.«
    Am Abend kamen sie in das Hotel Bambusgarten zurück. Vinja trug einen schönen Faltenrock, weiße Söckchen und geschlossene Schuhe, die ihr etwas Halt gaben. Sie waren bei einem Schuster gewesen, der sich auf orthopädische Maßschuhe spezialisiert hatte. Er hatte Vinjas linken Fuß genau betrachtet, Maß genommen und dann gesagt: »Das ist kein Problem für mich, Sir. Ich werde Ihrer Tochter Schuhe anfertigen, die die Zehen ersetzen. Man wird nichts mehr sehen. Sie wird gehen können wie Sie und ich.«
    »Wann kann ich sie abholen?« fragte Tawan im Ton eines reichen Herrn.
    »In fünf Tagen.«
    »In vier. Wir wollen verreisen.«
    »Ich will mich bemühen, Sir. In vier Tagen .« Der Schuster verbeugte sich mehrmals, als Tawan und Vinja das Geschäft wieder verließen.
    Draußen, auf der Straße, noch etwas humpelnd in den ungewohnten Schuhen, lachte Vinja und sagte: »Er hält mich für deine Tochter, Onkel. Ist das lustig! Und du hast nichts gesagt.«
    »Warum auch?« Tawan legte den Arm um Vinjas Schultern. »Ich muß doch stolz sein, eine so schöne Tochter zu haben.«
    Später besuchten sie auch noch einen Friseur, der Vinjas Haare etwas stutzte, den Wildwuchs beseitigte und in Form brachte. Nach der Wäsche glänzten die Haare wie feinste Seide. Vinja betrachtete sich in dem großen Spiegel. In dem Faltenrock und der neuen Frisur erkannte sie sich kaum wieder. Das bettelnde Mädchen vor der Punjab National Bank, das seinen verstümmelten Fuß hinhielt und neben einem Blechteller saß, gab es nicht mehr. Ein schönes Mädchen an der Schwelle zur Reife lachte ihr im Spiegel entgegen. Daß sie erst acht Jahre alt war, glaubte ihr keiner mehr. Das Elend hatte sie frühzeitig reifen lassen, so als sei der Schmutz ein Nährboden gewesen.
    Bis zum Abend kauften sie ein, auch einen großen ledernen Koffer, und kamen müde bei Frau Bangaon an. Zu ihrer Überraschung hatte sie für ihre Gäste gekocht, ein Brathuhn mit süßem Mais und verschiedenen Salaten.
    »Das war nicht nötig, Ma'am«, sagte Tawan verlegen. »Wir wären essen gegangen.«
    »Warum? Ich muß doch auch essen.« Frau Bangaon trug das dampfende Hühnchen aus der Küche zum Tisch. »Es macht mir Freude, mit Ihnen zu essen. Wann sitzt schon ein lieber Gast an meinem Tisch? Es schmeckt mir besser in Gesellschaft.«
    Man sah es. Während Tawan und Vinja vorsichtig zulangten, vertilgte die Wirtin zwei Drittel des Huhns allein und machte dabei einen glücklichen Eindruck.
    Bevor Tawan und Vinja zu Bett gingen, zum ersten Mal in ihrem Leben in einem richtigen Bett und auf einer guten Matratze liegend, sagte Tawan nachdenklich: »Gefällt es dir hier, Vinja?«
    »Sehr, Onkel Tawan. Es ist wie im Paradies.«
    »Ich frage mich, ob wir ein Zimmer suchen sollen. Wie wäre es, wenn wir hier wohnen bleiben? Können wir es besser haben? Ein schönes Zimmer, groß genug, und Frau Bangaon wird für uns kochen, als seien wir eine Familie. So gut können wir allein gar nicht leben. Soll ich morgen mit ihr sprechen und ihr den Vorschlag machen?«
    »Es wäre wunderbar, Onkel Tawan.« Vinja lachte, kroch nahe an Tawan heran und legte ihren Kopf an seine Schulter.
    Wie ihre Mutter, dachte Tawan. So hat es bei ihr angefangen. Du wirst so etwas nie erleben, Vinja, ich werde immer dein Onkel bleiben.
    Am nächsten Morgen verließ Tawan das Hotel Bambusgarten, um auszuprobieren, ob Dr. Kasbas Rat eine gute Empfehlung war. Er ließ Vinja in Frau Bangaons Obhut, versicherte, zum Mittagessen wieder zu Hause zu sein, steckte sein Messer wie immer in den Hosenbund, überprüfte sein Äußeres im Spiegel und fand, daß er sehr vertrauenerweckend und vornehm aussah. Wenn er sich jetzt noch einen der schönen, teuren Hüte aus feinstem Strohgeflecht kaufte, unterschied er sich in nichts mehr von den europäischen oder amerikanischen Touristen, die mit den Schiffen oder mit der

Weitere Kostenlose Bücher