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Der verkaufte Tod

Der verkaufte Tod

Titel: Der verkaufte Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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sagte er etwas steif. Das ›Sir‹ kam nicht mehr über seine Lippen.
    »Danke.« Tawan steckte das Scheckbuch ein. Ihm war, als schwelle seine Jackentasche vor Geld, Genugtuung und Stolz. Tawan Alipur hat ein Scheckbuch! Wer hätte das noch vor einigen Wochen geglaubt? »Es wird in den nächsten Tagen noch mehr Geld auf das Konto kommen«, sagte er großzügig.
    »Das wird uns alle freuen, Sir.« Der Beamte rang sich das letzte Wort geradezu ab. Mit zusammengekniffenen Augen sah er Tawan nach, wie er die Bank verließ, an dem uniformierten Portier vorbei, der vor ihm wieder die Tür aufriß.
    Draußen, auf der Straße, wartete Vinja und lief sofort auf Tawan zu. »Sie haben dich nicht geschlagen, Onkel Tawan?« rief sie glücklich.
    »Nein, mein Kleines. Warum sollten sie es?«
    »Sie haben dich so einfach herumgehen lassen?«
    »Sie haben mich bedient und Sir genannt.«
    »Und keiner hat dich erkannt?«
    »Nein. Sie hielten es für unmöglich, daß ich es bin.« Er faßte Vinja an der Hand und spürte, daß sie vor Angst gezittert hatte. Ihre Finger zuckten noch und waren feucht vor Erregung. »Gehen wir!«
    »Wohin, Onkel Tawan?«
    »Wir suchen uns ein Zimmer in einem Hotel. Nicht in den Luxuspalästen, es gibt in Kalkutta eine Menge kleiner Hotels, die billig und vor allem sauber sind. Dort werden wir wohnen, bis wir ein eigenes Zimmer gefunden haben.«
    So riesengroß die Stadt auch war, ein dampfendes Meer von Häusern und Millionen Menschen, Tawan kannte sein Kalkutta und wußte, wo die kleinen Herbergen lagen. Viele waren Hotels, die ihre Zimmer nur stundenweise vermieteten, wenn die fleißigen Huren ihre Freier heranschleppten. Es war ein gutes Geschäft ohne viel Mühe; war die Liebesstunde vorbei, deckte man ein neues Laken über die Matratze, versprühte ein süßliches Parfüm im Raum und schüttete ein Desinfektionsmittel in das Klobecken. Ein solches Zimmer war schon ein Luxuszimmer, denn die meisten hatten nur eine Schüssel mit Wasser auf einem Stuhl stehen, und die Toilette lag am Ende des Flures.
    Tawan suchte sechs kleine Hotels auf; er war sehr wählerisch, und erst das siebte sagte ihm zu. Es hieß Hotel Bambusgarten, weil hinter dem Haus ein verwilderter Garten lag, in dem auch Bambus wucherte. Das Zimmer war sauber und hell, hatte ein breites Bett, ein Waschbecken, einen Schrank aus rötlichem Holz, einen Tisch, zwei Stühle und eine Kommode, was ein ganz besonderer Luxus war. Ein schönes Zimmer, fand Tawan. Er prüfte die Matratze, indem er auf ihr auf- und niederwippte, drehte den Wasserhahn auf, ob auch wirklich Wasser aus der Leitung floß, und nickte zufrieden, als alles funktionierte.
    Der Besitzer des Hotels, eine dicke Frau von tiefbrauner Hautfarbe und mit einer rauchigen Stimme, stand geduldig in der Tür und sah Tawans Qualitätskontrolle zu. Vinja hockte verschüchtert auf einem Stuhl; sie hatte noch nie ein richtiges Zimmer gesehen, und dieses hier kam ihr wie eines im Hause eines Millionärs vor.
    »In Ordnung!« sagte Tawan und stand vom Bett auf. »Wir nehmen das Zimmer.«
    Die Wirtin warf einen schnellen, schrägen Blick auf Vinja. Ihr war nichts fremd, auch daß ein Gast ein Kind mitbrachte; die Hauptsache war, daß er gut zahlte. Mit Moral kann man in Kalkutta verhungern. »Wie lange?« fragte sie. »Eine Stunde, zwei oder mehr?«
    »Für zunächst fünf Tage«, antwortete Tawan.
    Die dicke Frau riß ungläubig die Augen auf. Dann starrte sie wieder Vinja an, und Mitleid kam in ihren Blick. Fünf Tage. Das arme Mädchen. Aber was will man machen, wenn man einen verkrüppelten Fuß hat? Später fragt keiner, wie sie das Geld verdient hat, und der feine Herr im Seidenanzug bezahlt bestimmt gut. Auch die fünf Tage gehen vorüber, Kindchen. Mach die Augen zu und steh es durch! Und wenn du dann denkst: Die Männer sind alle Schweine!, dann hast du recht. Was ich nicht alles in diesem Haus erlebt habe! Einen Mord mit fünfzehn Messerstichen. Oder den Mann, der einer Hure die rechte Brust abschnitt. Er wurde nie bestraft, im Gegenteil, die Polizei grüßte ihn ehrfürchtig. Er mußte ein bekannter Mann gewesen sein. Und dann der Japaner, der gleich mit vier Huren heranrückte und fast das Zimmer in Brand setzte, weil er jeder eine brennende Kerze in den Hintern steckte. Mein Mädchen, du wirst die fünf Tage überstehen. »Mieten Sie eine ganze Woche, mein Herr, dann gebe ich Rabatt«, sagte die Wirtin und hustete, wie ein Raucher hustet. »Ich sehe es der Kleinen an, sie ist

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