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Der verkaufte Tod

Der verkaufte Tod

Titel: Der verkaufte Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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an diesem Tag das meiste Geld.
    Vor seinem Holzdach mit den Kunststoffplanen blieb Tawan stehen und nickte Vinja zu. Seine Behausung war bewohnt. Jemand saß vor dem Spirituskocher und kochte in dem zerbeulten Aluminiumtopf eine Suppe aus Hirse und stinkenden Fischstücken. Es war ein noch junger Mann mit einem struppigen Bart, in Fetzen gekleidet und mit finsterer Miene.
    »Nimm dein Messer, Onkel Tawan«, flüsterte Vinja und drückte sich an Tawan. »Er sieht nicht aus, als wenn du mit ihm sprechen könntest.«
    Tawan nickte stumm, schob sein Messer vom Rücken nach vorn in den Hosenbund und öffnete die Jacke, um es schnell ziehen zu können. Auch darin war er flink wie kein anderer; diese Schnelligkeit hatte ihm bei Auseinandersetzungen im Hafen öfter das Leben gerettet. Beim Kampf um eine Stundenarbeit kannte man keine Gnade an den Kais.
    Der verwilderte junge Mann sah von seinem Suppentopf auf. Er musterte Tawan, der in seinem weißen Seidenanzug geradezu unnahbar vornehm aussah, drehte die Flamme des Kochers kleiner und legte die Hände auf die gekreuzten Knie. »Halt den Mund, kleines Schwein«, sagte er lässig, »und geh aus meinem Stall! Ich mache alles mit, nur nicht deine Sauereien.«
    Tawan lächelte böse und blieb am Eingang stehen. »Du irrst, lieber Freund«, antwortete er ruhig. »Ich bin kein Schwuler auf der Suche.«
    »Ach! Dann willst du mir aus Menschenliebe Geld bringen? Angenommen. Ein verkommener Student dankt.«
    »Du bist Student? Wieso lebst du dann unter dem Dach auf der Straße? Studenten haben doch Geld, reiche Väter oder Verwandte.«
    »Ich habe einen reichen Vater.«
    »Und trotzdem –«
    »Geht das dich was an?«
    »Ich glaube schon.«
    »Wenn du es wissen willst: Ich studiere nicht mehr. Ich kann nicht mehr studieren. Mein Gehirn hält nichts mehr fest. Das Geld, das mir mein Vater schickt, trage ich zu den Huren oder zu den Dealern. Ich brauche Heroin, die Nadel ist meine beste Freundin. Aber das Geld reicht natürlich nicht, ich muß betteln oder stehlen gehen. Ich bin kein Mensch mehr, ich bin ein Rauschgiftbehälter.«
    »Was studierst du?«
    »Bieg dich jetzt nicht vor Lachen, das kann ich nicht leiden! Medizin.«
    »Du willst Arzt werden?«
    »Ich wollte es.« Der Student rührte mit dem Löffel in seiner Suppe. »Was geht das dich an?«
    »Sehr viel. Du wohnst bei mir.«
    »Also doch ein Schwuler!«
    »Nein. Das Dach hier gehört mir.«
    »Verzeihung, Sir!« Der Student blieb sitzen, aber seine Muskeln spannten sich.
    Tawan sah es ganz deutlich. Wie bei einem Tier, das gleich springen wird, dachte er.
    »Die Bude war leer. Ich habe sie seit Tagen beobachtet. Wo waren Sie, Sir?« Spott lag in der Stimme des Studenten. »Handelt es sich hier um Ihr Wochenendhaus? Die Launen der reichen Leute sind oft absurd. Warum nicht mal einen Mann aus den Slums spielen? Das ist doch der reine Nervenkitzel.«
    »Ich habe sechs Jahre hier gewohnt. Ich habe diese Unterkunft gebaut und gegen die Bankmanager verteidigt. Jetzt habe ich mich verändert, seit einer Woche.«
    »Gratuliere!« Der Student nahm die dampfende Suppe vom Spirituskocher. »Wenn das wahr ist, mußt du einen guten Raubzug gemacht haben.«
    »Geschäfte.«
    »So kann man es auch nennen.« Der Student nahm den zerbeulten Topf vom Kocher, blies die Flamme aus und griff nach dem Löffel.
    Mit ihm hatte Tawan neun Jahre gegessen, schon in den Slums, als seine Mutter noch lebte. »Diesen Löffel habe ich auf dem Markt gestohlen«, sagte er. »Ich hatte damals nur einen Holzlöffel, den mein Vater selbst geschnitzt hat.«
    »Es schmeckt mir trotzdem.« Der Student begann, die Suppe zu essen, sah nach vier Löffeln zu Tawan auf und blickte ihn fragend an. »Was willst du eigentlich noch hier?«
    »Mein Eigentum verkaufen. Alles, was du benutzt, gehört mir.«
    »Es war verlassen, großer Gauner. Herrenloses Gut.«
    »Du kannst alles behalten, wenn du dafür bezahlst.«
    »Bezahlen? Ich?« Der Student lachte laut. »Hast du noch mehr solcher Witze im Ärmel?«
    »Wir können uns einigen.«
    »Das werden wir: Ich esse meine Suppe und lege mich dann etwas hin, und du gehst raus und kommst nie wieder.«
    »Ich sehe das anders.«
    »Dann schielst du. Verdammt, ich möchte in Ruhe essen!«
    Tawan blieb noch immer ruhig, lehnte sich an die Hauswand, die einzige feste Wand der Behausung, und verschränkte die Arme vor der Brust. Er hatte das dumpfe Gefühl, daß Vinjas Bedenken berechtigt waren – ohne das Messer gab es keine

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