Der verkaufte Tod
bezahlen, legte man Shakir auf eine Rolltrage und schob ihn in die Unfallambulanz.
»Warum hast du das getan, Onkel Tawan?« fragte Vinja.
Sie standen vor dem Hospital im Menschengewühl und warteten auf ein Taxi. Tawan hatte die Idee, im vornehmen Restaurant des Hotels Fairlawn zu Mittag zu essen.
»Er ist doch ein schrecklicher Mensch.«
»Shakir ist ein armer Mensch.«
»Wir waren auch arm, aber nicht schrecklich.«
»Er ist ein gebrochener Mensch. Ich werde es dir zu Hause erklären.«
»Er ist ein böser Mensch. Nur auf dein Messer hört er. Ich habe das sofort gesehen, Onkel Tawan. Du wirst mit ihm mit dem Messer reden, habe ich zu dir gesagt.«
»Du bist ein kluges Mädchen«, sagte Tawan und legte den Arm um ihre Schultern. »Ich bin stolz auf dich. Du könntest auch studieren, du bist klüger als alle anderen; aber du hast keine Schule besucht, du kannst nicht lesen und nicht schreiben und nicht rechnen, du hast bis jetzt nur gebettelt.«
»Aber jetzt haben wir Geld, Onkel Tawan. Ich will eine Schule besuchen und lernen.« Sie sahen ein Taxi kommen und winkten beide mit hocherhobenen Armen. »Bezahlst du mir die Schule?« fragte sie.
»Ich tue alles für dich, mein Kleines. Aber eine Schule kostet kein Geld. Ich müßte höchstens den Direktor bestechen, daß er dich in deinem Alter noch nimmt.«
»Du hast gesagt, nur reiche Leute können studieren.«
»Studieren! Bis dahin ist noch lange Zeit. Wir werden uns in den nächsten Tagen einige Schulen ansehen.« Tawan zog Vinja an sich und küßte sie.
Hinter ihnen ging eine Ausländerin vorbei und sagte laut: »So ein Schwein! Mit einem Kind!«
»Wenn ich studiere, möchte ich Ärztin werden.« Vinja drückte sich eng an Tawan. »Ich möchte so vielen Menschen helfen.«
»Du bist ein Engel«, sagte Tawan gerührt.
Das Taxi hielt vor ihnen, und sie stiegen ein.
Der Geschäftsführer von › Sarani & Sons – Herrenausstatter‹ und seine drei Verkäufer erstarrten, als sie Tawan wieder vor dem Schaufenster stehen sahen.
»Der Gangsterboß ist da!« sagte der Geschäftsführer und wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Aber er hat den weißen Anzug nicht an.«
»Er wird mehr als nur einen Anzug haben«, entgegnete einer der Angestellten.
»Bestimmt! Aber der, den er heute trägt, ist ein ganz billiges Stück. O ihr Götter, er kommt tatsächlich herein.«
Tawan betrat den Laden wieder mit der Arroganz eines Mannes, für den ein Angestellter ein besserer Sklave ist. Er ging zu der langen Theke, legte seinen weißen Strohhut ab und zeigte mit dem Daumen über die Schulter zum Fenster. »Im Fenster steht ein neues Schild. Was steht darauf?«
Der Geschäftsführer glaubte an einen billigen Scherz und lachte pflichtgemäß. »Sir, wir garantieren die beste Arbeit.«
»Was steht darauf?«
»Wir bieten Ihnen auch moderne Maßkonfektion an.«
»Genau das ist es.« Tawan hatte das Wort noch nie gehört und konnte sich darunter nichts vorstellen. Aber es mußte etwas Besonderes sein, bei so einem großen Schild. »Ich möchte von Ihnen Maßkonserenz.«
Der Geschäftsführer strich sich mit der Hand irritiert über das Gesicht. »Das … das führen wir nicht. Nur Konfektion.«
»Haben Sie einen Hörfehler?« Tawan schüttelte mißbilligend den Kopf. »Das meine ich doch.«
»Dann habe ich mich tatsächlich verhört, Sir. Wir haben die modernsten, ausgewähltesten Stoffe. Und die neuesten Schnitte. Aus London, Paris und Rom. Dürfen wir Ihnen einige Coupons zeigen?«
Tawan nickte. Was ist ein Coupon? Lassen wir uns überraschen, dachte er.
Die Verkäufer schleppten Ballen von Stoffen heran, auch einige ausgesucht exklusive, nur für einen Anzug bestimmte Stoffe aus London, Rom und Paris, wie der Geschäftsführer erneut betonte: »Bei Ihrer sportlichen Figur wären die Coupons aus Rom und London besonders geeignet«, wonach Tawan endlich wußte, was ein Coupon ist.
»Diese Exklusivstoffe sind natürlich die teuersten«, sagte der Geschäftsführer. »Sie werden in Kalkutta keinen zweiten Anzug dieses Dessins sehen. Wir haben den Alleinverkauf. Sie werden der einzige sein, der einen solchen Anzug von Sarani & Sons trägt.«
»Habe ich nach dem Preis gefragt?« Tawan ließ einen der herrlich weichen, leichten Wollstoffe durch seine Finger gleiten.
»Nein, Sir.« Der Geschäftsführer wurde verlegen und breitete einen anderen Coupon aus: cremefarben mit dünnen blauen Streifen. »Das Allerneueste aus Italien. Reinste Wolle und dazu
Weitere Kostenlose Bücher