Der verletzte Mensch (German Edition)
vergräbt entsetzt seinen Kopf in den Händen. Man schreibt das Jahr 1888. „Der Kaufmann des Todes ist tot“, lautet die Schlagzeile der französischen Zeitung, die auf dem Boden vor ihm liegt.
Sein Bruder Ludwig ist verstorben, doch was er da soeben gelesen hat, ist sein eigener Nachruf. Der Herausgeber der französischen Zeitung hat die beiden Brüder miteinander verwechselt und einen langen Nachruf auf ihn, Alfred Nobel, geschrieben. Darin wird er als Erfinder des Dynamits dargestellt, der dadurch reich geworden sein soll, indem er den Menschen dabei geholfen hat, sich mit dem Sprengstoff gegenseitig umzubringen.
Alfred Nobel ist so schockiert über seinen irrtümlichen Nachruf, dass er beschließt, sein Vermögen zu nutzen, um ein positiveres Vermächtnis zu hinterlassen. Als er acht Jahre später tatsächlich stirbt, stiftet er 95 Prozent seines Vermögens für einen Fonds, der Preise zum Wohle der Menschheit vergibt. Diese Preise sollten als Nobelpreise bekannt werden.
Wenigen Menschen ist es wie Alfred Nobel vergönnt, ihren eigenen Nachruf korrigieren zu können, ihrem Leben eine neue entscheidende Richtung zu geben. Wenige Menschen haben diese zweite Chance so nachhaltig genutzt wie Alfred Nobel.
Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, wann es so weit sein könnte, dass über Sie ein Nachruf erscheint? Stellen Sie sich vor, dass heute Ihr Nachruf erscheinen würde. Was glauben Sie, würden andere Menschen über Sie schreiben und sagen? Und was wäre Ihnen selbst wichtig, das man über Sie schreibt?
Sie werden wenig von dem Gedanken geplagt, was einmal in einem Nachruf über Sie geschrieben sein wird, werden sich manche jetzt denken. Der Wunsch, ein Vermächtnis zu hinterlassen, ist meist männliche Eitelkeit, werden viele Frauen berechtigt einwenden. Denn der Drang, dass der eigene Name den Tod überdauert, hat häufiger zu blutigen Kriegen geführt, um vermeintliche Reiche zu schaffen, als zu Beiträgen für das Wohl der Menschheit, wie die Stiftung des Nobelpreises.
Eine Lebensweisheit können wir aber bei Alfred Nobel erkennen, die wir auch in den fiktiven Heldengeschichten finden werden. Lange Zeit strebt die Hauptfigur mit ganzer Kraft nach der Erreichung bestimmter Ziele, die ihr wichtig sind. Der Held will ganz bewusst etwas erreichen: Geld, Macht, einen geliebten Partner, die Entschlüsselung eines Geheimnisses, die Besiegung eines Feindes. Als unbeteiligte Beobachter erkennen wir aber, dass es zwar das ist, was der Held will, aber nicht das, was er braucht. Das, was er wirklich benötigen würde, um zu wachsen, ist ihm verborgen in seinem Unbewusstsein. Im Laufe der Geschichte gewinnen die wahren Bedürfnisse des Helden immer mehr an Bedeutung, das, was er tatsächlich braucht, bestimmt immer mehr sein Handeln. Ein besonders schönes Beispiel dafür ist der Hirtenjunge Santiago in Paulo Coelhos „Alchimisten“, der den Schatz, dem er so lange nachgejagt hat, letztlich in sich selbst findet.
Wir tanzen und spielen zu wenig
Zwei Fragen, die Sie sich selbst über Ihr eigenes Leben stellen können:
Was wollen Sie unbedingt vom Leben, was ist es, dem sie mit aller Kraft nachjagen?
Was wäre das, was Sie tatsächlich brauchten?
Der Wendepunkt zum Guten in einer Geschichte wird oft in dem Moment erreicht, wenn der Held erkennt, was er wirklich braucht, was ihm wirklich wichtig ist. Manchmal dauert es sehr lange, bis man dies für sein eigenes Leben erkennt, selbst dann, wenn man eine so bedeutende Frau ist, wie das die Sterbeforscherin Elisabeth Kübler-Ross war:
„In der Schweiz wurde ich nach dem Grundsatz erzogen: arbeiten, arbeiten, arbeiten. Du bist nur ein wertvoller Mensch, wenn du arbeitest. Dies ist grundfalsch. Halb arbeiten, halb tanzen. Das ist die richtige Mischung! Ich selbst habe zu wenig getanzt und zu wenig gespielt.“
Unser Leben ist ein Königreich
Eine der faszinierendsten Geschichten ist die Gralslegende. Der König ist verwundet und leidet. Sein Leiden steht für sein ganzes Reich, das darbt und verkommt. Nur ein junger Ritter, der die richtigen Fragen stellt, kann den König und das Reich erlösen. Parzival scheitert das erste Mal daran, weil er nicht mutig genug ist, den König nach seinem Leiden zu fragen. Er zieht jahrelang mühsam durch die Lande und sucht das Schloss des Königs, während das Reich weiter verfällt. Am Ende gelingt es Parzival, das Schloss wiederzufinden und die richtige Frage zu stellen. Der König ist gerettet und das Reich
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