Der verletzte Mensch (German Edition)

gesundet.
    Auch die Gralslegende ist eine Quantum-Geschichte, die seit Jahrhunderten eine mythische Wirkung auf die Menschen ausübt. John F. Kennedy hat ganz bewusst auf die Sage um König Artus angespielt, als er sein Kabinett als „Camelot“ bezeichnete, das legendäre Schloss von König Artus. Welchen Erfolg Dan Brown mit seiner Version der Gralslegende im „Da Vinci Code“ hatte, braucht hier wohl nicht ausgeführt werden.
    Bei genauerer Betrachtung ist die Gralslegende keine oberflächliche Rittergeschichte, sondern eine vielschichtige Sammlung von Weisheiten und Lehren für den Menschen. Im Gegensatz zu „Star Wars“ sind diese aber weit schwieriger zu entschlüsseln und beschäftigen daher heute noch die Forscher. Eine Botschaft ist jedoch ziemlich klar:
    Wir sind oft selbst der leidende König, wir merken es nur nicht. Und unser Königreich ist das, was wir aus unserem Leben machen – es leidet mit. Wir spüren, dass etwas nicht stimmt, dass wir von unseren wahren Bedürfnissen abgeschnitten sind. Wenn wir in unserem Inneren leiden, dann stagniert unser äußeres Leben. Wir fühlen uns unglücklich und stellen fest, dass bisherige Antworten auf einmal nicht mehr funktionieren. Wie engstirnige Könige erkennen wir nicht, dass wir alte Angewohnheiten opfern müssen, damit Neues entstehen kann. Nur wenn wir unser Inneres heilen, kann unser Reich, das heißt unser Leben, wieder prosperieren. [2]
    Eine Geschichte, von einem Idioten erzählt, voller Schall und Raserei, ohne Bedeutung?
    Haben Sie die Argumente in diesem Kapitel überzeugt? Es gab doch keine Argumente, nur Geschichten, werden Sie jetzt einwerfen. Sie haben völlig recht. Eine gute Geschichte und ein gutes Argument sind gänzlich unterschiedliche Dinge. Argumente überzeugen uns von ihrem Wahrheitsgehalt, Geschichten von ihrer Lebensähnlichkeit. Argumente kann man widerlegen – Geschichten nicht.
    Eine Geschichte ist auch immer eine Einladung in eine mögliche Welt. Eine Möglichkeit wäre, dass unser Leben einfach eine willkürliche Abfolge von schweren Verwundungen, Freuden und Erfolgen, Lust- und Unlustgefühlen ist, auf die wir keinerlei Einfluss haben. Wir wären dann Spielbälle höherer Mächte oder, noch schlimmer, völlig dem Zufall ausgeliefert. Nicht nur die Karten, die uns am Beginn unseres Lebens zugeteilt werden, wären dann vorgegeben, sondern wir könnten sie im Spiel des Lebens nicht einmal selbst ausspielen. Unser Leben wäre dann „eine Geschichte, von einem Idioten erzählt, voller Schall und Raserei, ohne Bedeutung“, wie Shakespeare in „Macbeth“ schreibt.
    Die Botschaft, die uns die Heldengeschichten in der Form von Märchen, Mythen und Sagen vermitteln wollen, ist eine andere, eine optimistischere:
    Hinter der großen Verletzung jedes Helden steht eine Aufgabe für ihn. Aus der Art, wie die einzelnen Helden in den Geschichten ihre Prüfungen bestehen, können wir lernen, die Gesetzmäßigkeiten unseres eigenen Lebens besser zu verstehen, unserem Leiden Sinn zu geben und daraus unsere Kompetenzen zu entwickeln.
    Was wir aus der Reise des Helden für unser eigenes Leben lernen können
    1. Verletzungen sind ein wesentlicher Teil unseres Lebens.
     
    Alle Menschen tragen eine Verletzung mit sich. Wir sind weder die Ersten noch die Einzigen, die gezeichnet von dieser Verletzung einen langen Weg gehen müssen. Wir sind auch nicht schuld an dieser Verletzung. Wir müssen diesen Weg aber nicht allein gehen. Wir können von denen lernen, die diesen Weg schon seit Tausenden von Jahren gegangen und deren Erfahrungen in Geschichten festgehalten sind. Dieses Wissen wurde früher an den Lagerfeuern von Generation zu Generation weitergegeben. Danach gab es Bücher und Filme.
     
    2. Verletzungen in unserem Leben haben einen Sinn.
     
    Verletzungen gehören zu den stärksten Antriebskräften in unserem Leben. Sie haben einen Sinn, hinter dem unsere Lebensaufgabe steht. Es liegt an uns, diesen tieferen Sinn im Laufe unseres Lebens zu entdecken und in unsere Lebensgeschichte zu integrieren. Machen wir aus unserem Leben eine Geschichte, viele Geschichten – und das Leben wird besser sein.
     
    3. Wir verlassen nicht freiwillig den Pfad unserer Gewohnheiten und unser geschütztes Heim.
     
    Wie in jeder fiktiven Heldengeschichte brechen wir nicht freiwillig aus unserem gewohnten Alltag aus, um uns unbekannten Gefahren auszusetzen. Im Gegenteil, wir wehren uns so lange wie möglich dagegen. Wir werden durch äußere Kräfte dazu