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Der verlorene Brief: Roman (German Edition)

Der verlorene Brief: Roman (German Edition)

Titel: Der verlorene Brief: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert M. Talmar
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ich, aber ihr Wert macht mich schwindelig. Sie ist so kostbar wie   … wie Circendils Buch, nehme ich an. Ich   … ich bin ihrer einfach nicht würdig.«
    Der Dwarg drückte die Scheide in Finns Hände, und nunmehr war er es, dessen Finger zitterten. Glimfáin schloss die seinen darum.
    »Ihrer nicht würdig? Wärest du es nicht, mein kleiner Vahatin, so erhieltest du sie nicht. Sie ist hiermit dein. Beleidige einenalten Windschmied nicht, indem du ihm nicht erlaubst, auf seine Weise Danke zu sagen. «
    »Dir ist es damit ernst?« Finn konnte es immer noch nicht glauben.
    »Leg sie an«, murmelte der Dwarg.
    Finn löste seinen Gürtel und befestigte die verzierte Scheide mit dem Gehänge daran. Dann stand er auf, und Maúrgins Knauf schimmerte an seiner Seite: ein dunkelroter Karbeolstein war es, von der Größe des Ballens einer Vahithand, fein geschliffen und kostbar umfasst. Noch nie hatte Finn einen Edelstein wie diesen erblickt, und allein sein Wert übertraf vermutlich alle Fokklinhand-Waren, die in den Regalen seines Vaters lagerten.
    »Für dich ist es ein Schwert, kleiner Vahatir. In der Nacht bemerkte ich, wie du es von meiner Seite löstest. Ich war zu schwach und konnte nichts sagen, um dich zu warnen. Doch war meine Sorge unbegründet. Du tatest wohl daran, es in meiner Nähe zu belassen. Hättest du es mit dir fortgenommen, wäre es dir übel ergangen. Nichts ist treuer als Gidwargenwort! So heißt es bei meinem Volk, und so wussten es die alten Meister in ihre Waffen einzuhämmern. Maúrgins unbedingte Treue hätte dich unweigerlich ins Verderben gestürzt. Nimm sie heraus«, forderte er, und Finn tat es.
    Maúrgins zweischneidige Klinge war wie das Blatt einer Weide geformt, sodass sich zwei anmutige Bögen ergaben, die in einer Spitze zusammenliefen. Zwei zackige, an Zähne erinnernde Verbreiterungen unmittelbar am Heft schützten die Hand. Ein verstärkter Rücken mit einem Grat in der Klingenmitte verlieh der Klinge Anmut und Schönheit. Eine hinter einem Berg aufgehende Sonne zierte die eine Seite des Dolchblattes; darunter konnte Finn die ins Metall eingeschlagenen Buchstaben einer Dwargeninschrift erkennen. Die andere Seite zeigte denselben Berg, nur dass diesmal ein umgekehrter Hammer über seinem Gipfel schwebte. Ein anderes Wort stand darunter, und Finn fragte Glimfáin, wofür diese Zeichen standen.

    »Auf der einen Seite erhebt sich die Morgensonne über den Berg « , antwortete der Dwarg. »Darunter steht in den Runen meines Volkes Maúrgins Name.

    Die andere Inschrift unter Hammer und Berg ist eine Warnung: Zimbagun! Es bedeutet: Verzichte . Denn der Hammer schwebt nicht, wie du dachtest. Er fällt. Kein Gidwargum wird dir Maúrgin noch streitig machen, nachdem er den fallenden Hammer gesehen hat. Es ist zugleich die alte Warnung meines Volkes vor bösen Stollen: Verzichte   – und grabe nicht weiter! «
    Finn nickte, aber er hörte kaum zu.
    Zu unglaublich war dieses Geschenk. Maúrgin war herrlich leicht. Fast schien es ihm, als wiege die Klinge nichts in seiner Hand. Trotz ihres hohen Alters glänzte sie, als habe ein Schwertfeger sie erst gestern über Stunden frisch poliert. Er konnte sich in ihrer Fläche spiegeln: ein zerzauster Vahit mit leuchtenden Augen und jungenhaftem Grinsen und Resten vom Stroh im Haar.
    »Danke!« Das war alles, was er herausbrachte. Behutsam steckte er das Blatt in die Scheide zurück.
    »Maúrgin ist dein.«
    Glimfáin hustete und machte eine wedelnde Handbewegung.   »Und nun geh und erfülle dein Versprechen und hole mir von diesem Wasser. Dabei fällt mir ein   …« Er unterbrach sich und schlug die Decke zurück. Vorsichtig öffnete er eine der beiden Ledertaschen und brachte die gläserne Kugel zum Vorschein. »Dies hier   … habt ihr mir das in die Tasche zurückgesteckt?«
    »Ihr hattet die Kugel fallenlassen   … nachdem das Feuer uns fast übermannt hatte«, antwortete Finn etwas nervös.
    Der Dwarg warf dem Vahit einen unergründlichen Blick zu, ehe er antwortete: »Du hast es gefunden und mir zurückgegeben? Einfach so? Höre ich recht?«
    »Warum denn auch nicht?«
    Der Dwarg sah ihn nahezu fassungslos an, ehe er antwortete:
    »Ihr Vahatin verwundert mich stets aufs Neue!«
    Er schob die Kugel zurück in die Tasche und umschloss sie beinahe zärtlich. »Andere hätten nicht so gehandelt, das kann ich dir versichern. Um das, was du eine Kugel nennst   – eine Kugel!   –, um ihretwillen nahm ich meine Fahrt auf mich.

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