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Der verlorene Brief: Roman (German Edition)

Der verlorene Brief: Roman (German Edition)

Titel: Der verlorene Brief: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert M. Talmar
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schimmern. »Kein Ort im Hüggelland ist längersicher. Wohin also sollen wir gehen, um unser Glück zu finden? Kannst du es mir sagen? Hast du darauf eine Antwort?«
    Sie schüttelte stumm den Kopf.
    »Ich auch nicht. Wir können nur hoffen, das dies nicht das Ende ist. Mein Leben gehört dir, Tallia, ganz gleich, was auch geschieht. Lass uns darum gemeinsam hoffen. Ich liebe dich, so viel weiß ich; aber ich weiß nicht, was ferner kommen mag.«
    Wieder küsste er ihre Tränen und schmeckte ihr Salz.
    Das Salz des Lebens, dachte er.
    Ihre Wangen lagen aneinander, auf einem Bett aus Tränen, bis ihre Münder sich abermals fanden. Wenn ihr voriger Kuss eine Ewigkeit gedauert hatte, so währte dieser weit darüber hinaus. Irgendwann holte ihre Müdigkeit sie ein, und sie schliefen, ein Knäuel aus Armen und Beinen, die eine den Atem des anderen trinkend, darüber ein. Die Laterne verlosch, aber da schliefen sie längst.
    Beim Hahnenschrei erwachte er, und im ersten Augenreiben wusste er nicht, wo er war.
    Dann sah er Tallias Gesicht im Dämmerlicht neben sich, das auf ihrem aufgestützten Arm ruhte, und alles fiel ihm wieder ein. Ihr Kleid war verdreckt und an den Ärmeln zerrissen, ihre Locken bildeten ein einziges Durcheinander, aber für ihn sah sie schöner aus denn je. Sie betrachtete ihn lächelnd, und in ihrem Haar steckten Spelzen, Krusten aus getrocknetem Schlamm und abgerissenes Stroh.
    »Guten Morgen«, flüsterte er.
    »Guten Morgen, Herr Langschläfer.« Sie kitzelte ihn mit einem der Halme am Ohr.
    »Nicht, lass das«, verlangte er kichernd.
    »Ich wüsste nicht, warum.« Wieder kitzelte sie ihn, diesmal an der Nase.
    »Weil es so widerlich ist. Es macht mich ganz wach. Bis eben hatte ich schöne Träume.«
    »Aha«, machte sie und zog einen schalkhaften Flunsch. »Kaum verbringe ich eine Nacht mit dir im Heu, schon findest du mich widerlich. Und deine Träume sind dir wichtiger. Du findest mich langweilig.«
    »Das habe ich gar nicht gesagt. Außerdem heißt es Stroh und nicht Heu.«
    »Auch das noch. Du denkst also, ich bin langweilig, widerlich und dumm? Gib es zu!«
    »Ich gebe gar nichts zu. Halt ein!«, lachte er und ertrank in einer Flut von Küssen. »Außer vielleicht«, setzte er hinzu, als er besiegt auf dem Rücken lag, »außer vielleicht, dass ich so glücklich bin wie noch nie zuvor in meinem Leben.«
    »Gut, ich nehme dies als deine Entschuldigung an.«
    »Als meine was?«
    »Ich verzeihe dir und gewähre dir großzügig weiterhin meine Gunst.«
    »Ich möchte mal wissen, was das bedeutet.«
    Sie zeigte ihm, was das bedeutete.
    Sanfter konnten keine Lippen, süßer kein Mund, inniger kein Atem sein.
    Die Scheune drehte sich, und Finn war, als läge ein weißes Licht auf ihrer beider Schultern, milchig wie Nebel und schillernd wie die Sonne auf einem von geheimnisvollen Hügeln herabspringenden Bach in einen golddurchfluteten Teich. Eine in einer Dachspalte hockende Maus sah ihnen neugierig zu, und selbst sie empfand, wie die Zeit sich auf dem Heuboden dehnte und stillstand, als wüsste eine geheime Macht um die Kostbarkeit eines jeden Augenblicks und wollte in einer seltenen Gnade eben jene Momente verlängern, die nur einmal im Leben kommen und deren Erinnerung für immer in den Herzen derjenigen haften bleibt, die sie erleben.
    Beide erschraken, als Glimfáins Husten sie in die Gegenwart zurückholte. Geschwind wuschelten sie sich das Stroh aus den Haaren und kletterten die Leiter hinunter.
    Glimfáin erwachte langsam, und es war eine Wiederkehr aus finsteren Träumen. Er schlug in dem Moment mit einem Ruck die Augen auf, als sie eben neben ihm knieten. Seine rötlichen Pupillen funkelten, als läge bereits ein Fieber in ihnen. Seine Stirn war heiß, aber nicht länger verschwitzt. Er erkannte sie wieder und fragte, wo sie sich befänden.
    Zumindest weiß er, was geschehen ist, dachte Finn erleichtert. Die Vorstellung eines im Fieberwahn tobenden und um sich schlagenden Dwargs gefiel ihm ganz und gar nicht; und er wurde wütend auf sich, weil er erst jetzt daran dachte. Wie schützte man einen Dwargen vor sich selbst? Er wusste es nicht.
    Aber er kannte einen, der es wissen würde.
    Zumindest kennt dieser Jemand Glimfáins Volk besser als jeder andere von uns, fiel ihm wieder ein. Erst jüngst war er noch bei ihnen gewesen.Circendil! Wir brauchen dich dringend hier. Deine Suche wird leider warten müssen.
    Draußen dämmerte es bereits. Die Laterne, die Abhro für Glimfáin

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