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Der verlorene Brief: Roman (German Edition)

Der verlorene Brief: Roman (German Edition)

Titel: Der verlorene Brief: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert M. Talmar
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Ihretwegen verfolgte mich der Ledir, musst du wissen. Allein ihretwegen war ich droben am Cerenath.«
    Finn zuckte die Achseln, als habe er tagtäglich mit derlei Dingen zu tun. »Ich dachte es mir schon«, meinte er leichthin. »Ichsah sie in den Matsch fallen und fand, sie solle da besser nicht so herumliegen, weißt du. Wegen gewisser Hände, die sich nach ihr hätten strecken können. Da sie dein ist, gab ich sie dir zurück. Das ist alles.«
    »Das ist alles«, wiederholte Glimfáin; nur allmählich erholte er sich von seiner Überraschung. Er betrachtete Finn lange, ehe er hinzufügte: »Wir Gidwargim denken wirklich zu wenig heutzutage. Ich fürchte, wir haben all die langen Jahre einen bedeutenden Schatz völlig übersehen: wahre Freunde der Gidwargim, die im Hüggelland leben. Ein Fehler, ohne Frage. Und nicht der erste, den wir begingen. Umso mehr freut es mich, dass du Maúrgin als meinen Dank angenommen hast. Und gute Taten, so heißt es bei meinem Volk, sollten stets belohnt werden. Und obendrein kräftig begossen nach altem Brauch. Zur Not auch ohne Bier und nur mit frischem Wasser, falls du den Wink in meinen Worten irgendwie verstehst.«
    Finn schmunzelte und bejahte.
    Er schnappte sich die Wasserflasche und zog Tallia mit sich aus der Scheune.
    Maúrgin schlug leicht an seine linke Seite, als er in die beginnende Helle des Morgens hinaustrat; seine Linke ruhte auf dem Knauf aus Karbeol. Etwas, von dem er nicht wusste, was es war, und von dem er selbst nicht einmal etwas ahnte, ließ ihn sehniger und aufrechter gehen als jemals zuvor in seinem Leben.
    Ihm war, als entstünde in ihm ein Summen, das sich, obwohl er es nicht hören konnte, in ihm ausbreitete, bis es ihn ganz und gar erfüllte; wie ein mitreißendes Lied, dessen Strophen Mut und dessen Melodie Zuversicht einflößten.
    Finn bemerkte es nicht, aber Tallia sah ihn mit einem Mal höchst verwundert an. Seine Schulter hielt er gerader; seine Schritte waren fester und bestimmter; sein Blick wirkte klarer und auf seltsamer Weise kühner und auch härter als zuvor, wie er nun erhobenen Hauptes dastand. Finn hatte sich verändert, er war ein auf unerklärliche Weise strahlenderer, beeindruckenderer, erfahrenerer Vahit geworden, und Tallias Augen hingen wie gebannt an ihm. Sie seufzte leise seinen Namen; und als er sich zu ihr umdrehte, war es ihr, als erblicke sie einen gänzlich neuen Glanz an ihm, und ihr inniglicher Wunsch, ihm nahe zu sein, durchzuckte sie wie ein süßer, gleichwohl heftiger Schmerz, der ihr auf den Lippen brannte.

3. KAPITEL
Ein schneller Schnitt
    » W ELCH EIN F RIEDE LIEGT über dem Wald«, dachte Finn, als er dem Trampelpfad zum Anleger folgte. Es war der selige Friede des Hüggellandes, so anheimelnd wie an so vielen ungezählten Tagen zuvor. Ein Friede, wie ihn Finn sein Leben lang gekannt und den er all die Jahre hindurch für so selbstverständlich wie das Atmen selbst gehalten hatte.
    Die Stille des nahen Waldes umgab ihn, in der nur seine Schritte raschelten und in der die Vögel allenthalben zwitscherten. Sie begrüßten den neuen Morgen, den Finn irgendwo hinter dem Sturz im Osten erahnen konnte. Ein hellerer Lichtstreif zeigte sich dort, dessen Ränder sanft rosafarben schimmerten. Die Mürmel zu seinen Füßen war ein unberührter Spiegel aus leise am Ufer glucksendem Wasser, das über auf dem Grunde liegende Steine lief und zu seiner Rechten entschwand. Nur an den sich einsam drehenden Blättern, die der Wald als frühe Vorboten des Herbstes in den Flusslauf streute und die an ihm vorüberzogen, erkannte er, dass sich das Wasser überhaupt bewegte.
    Dünne Nebelstriche traten unter den Bäumen an beiden Ufern hervor und vereinten sich zu weißen Schwaden, die träge flussaufwärts über das Wasser trieben, wie Schwäne auf dem Lammspringer See. Zwei Haubentaucher brachten sich in Sicherheit, als sie den Vahit am Ufer niederknien sahen und er darin zu platschen begann. Die Luft duftete frisch nach Moosen und Walderde, doch an seinen Kleidern und Haaren haftete immer noch der Geruch von kaltem Rauch, als habe er des Abends zu dicht am Kaminfeuer gesessen.
    Finn wusch sich gründlich neben dem Weidling im seichten Wasser. Das schäumende Rad mit seinen Schaufeln sang ein gleichförmiges Lied dazu. Er benutzte sein Hemd, um sich abzutrocknen. Doch zog er es rasch wieder an, denn er bibberte in dem kaum wahrnehmbaren Lufthauch, der von Osten kam. Die Herbstmorgen im Hüggelland konnten ziemlich kühl sein, und

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