Der verlorene Brief: Roman (German Edition)
Tallia. Aber kannst du dich nicht etwas beeilen? Ich erzähle dir später alles ausführlich.«
Der Schmied fasste sich an die Stirn, betastete die sich rötende Schwellung und brachte noch mehr Unordnung in seine Haare, falls das überhaupt möglich war.
»Entschuldige, ich bin noch nich ganz wach. Aber deine Geschichte is’ ziemlich verworren, Herr Finn, bei allem, was recht is’. Was is’ denn mit dem haarigen Biest, deinem Tanzbären oder was es war? Es hatte doch das Mädchen gepackt und alles. Dubist ihm nach. Ich war ganz erschrocken. Na, er wird wohl wissen, was er tut, dacht’ ich noch. Das arme Ding, du meine Güte! Und dann dieses Biest! Aber wieso sitzt du eigentlich mit einem Freund gemütlich am Lagerfeuer, anstatt ihnen nachzulaufen? Und wieso bist du nicht längst zu dieser Stunde zu Hause, wo wir schon davon sprechen?«
»Abhro!« Es fehlte nicht viel und Finn hätte ihn regelrecht angefaucht. Er trat näher an den redseligen Schmied heran. »Mein Freund da draußen ist schwer verletzt! Zum Reden haben wir wirklich später Zeit! Beeil dich!«
»Is’ ja schon gut.« Der Schmied winkte ab. »Also schön. Warte hier. Ich weck die beiden Tunichtgute. Bin gleich zurück.« Er schlurfte im blakenden Lichtschein seiner Kerze ins Innere des Hauses zurück und betrat eine knarzende Treppe. »Franan! Giran! Raus aus den Federn! Wollt ihr wohl aufstehen, ihr faules Gesinde?!«
Mehr sah Finn nicht.
Ein Luftzug drückte die Haustür zu, und er stand allein davor. Offenbar blies der durch das Haus streichende Wind auch Abhros Kerze aus, denn er hörte den Schmied wieder herumpoltern und Verwünschungen ausstoßen, während er weiter nach seinen Gehilfen rief.
Die wenigen Minuten des Ausharrens kamen Finn endlos vor. Die nächtlichen Geräusche des Schmiedehofes wurden mit einem Mal unnatürlich laut, als er allein im schwankenden Licht der Laterne auf die drei Vahits wartete.
In seinen noch immer nicht getrockneten Sachen stand er da und fror; nach dem anstrengenden Marsch wurde ihm nun schnell wieder kalt. Er zog an seinen Hosenbeinen, die klamm über den Oberschenkeln an der Haut klebten; und er stellte fest, dass er sich dringend umziehen musste, so verrußt und verdreckt und schlammbespritzt war er. Ein verschlafenes Gackern drang aus dem Hühnerstall, dem eine Ziege meckernd antwortete. DasWasserrad drehte sich hinter der eigentlichen Schmiede in seinem Graben. Das Rauschen war so allgegenwärtig wie der durch die Baumkronen fahrende Wind. Beides erfüllte die Nacht. Er hörte ein Schnauben aus dem Stall, und dabei fiel ihm siedend heiß sein eigenes Pony wieder ein.
»Ach du liebes bisschen! «, entfuhr es ihm. »Der gute Smod! Dich habe ich in all der Aufregung ja völlig vergessen.« Er spähte über den Hof und fand ihn so leer wie zuvor. Da fiel sein Blick auf den Stall, und tatsächlich fand er Smod dort, leidlich untergebracht, mit frischem Stroh unter und einem Hafersack vor sich, aus dem er sich schmausend bediente. Zwei andere Ponys standen halbwach neben ihm, und sie beäugten den ihnen fremden Vahit, der ihre Nachtruhe so ungewohnt störte, auf ihre Weise.
»Smod, mein lieber Junge!« Finn trat hinzu und herzte ihn.
Und während Smods raue Zunge seine Hände wieder und wieder leckte und seine großen braunen Augen dabei glänzten, nahm Finn sich zum zweiten Mal binnen weniger Tage vor, besser auf sein Pony zu achten. Es geht einfach nicht an, dachte Finn, immerfort laufe ich weg und lasse das arme Tier im Ungewissen zurück. »Aber was hätte ich denn jeweils anderes tun sollen? Hmm, mein Guter?«
Smod hörte aufmerksam zu, ging aber auf die Frage nicht näher ein. Er schien es seinerseits vollauf zufrieden zu sein, seinen Herrn wieder an seiner Seite zu wissen. Das Pony schnaubte vergnügt und widmete sich wieder mit Inbrunst dem Hafer.
»Herr Finn? Sapperlot noch eins! Wo steckst du?« Abhros Stimme klang ärgerlich, und Finn beeilte sich, zurück auf den Hof zu kommen.
»Hier drüben«, rief er.
Die beiden Schmiedegesellen trotteten hinter ihrem Meister her, der sich vor Finn aufbaute, nunmehr gänzlich wach und ungehalten.
Er trug keine Kerze mehr, sondern schwenkte eine Laterne.
»Also, was ist das jetzt für eine Geschichte? Franan und Giranhaben nur geglotzt und kein Wort verstanden. Ich weiß immerhin, du willst deinem Freund helfen. Also – was ist passiert? Und sag’s diesmal so, dass es auch Franan versteht.« Franan war der Vahit, der Glimfáin am Nachtmittag
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