Der verlorene Freund: Roman (German Edition)
der Herr Professor einen Studienplatz für Architektur bekommen hatte; Tuca wollte zum Theater und ging auf eine Schauspielschule. Waldemar erzählte von Eva, wie sehr er sie vermisse, und von einer Reise nach Spanien. Sie sahen sich ein paarmal, ließen eine Weile kaum etwas von sich hören, bis sie nach einem Sprung in der Zeit plötzlich aus Córdoba seine Aufmerksamkeit verlangte, wohin sie gerade mit ihrem Sohn gezogen war, inzwischen Architekt, verheiratetund überzeugt davon, dass es für seine Mutter kein größeres Vergnügen geben könne, als ihn eine Familie gründen zu sehen.
Verónica hatte eine verquere Art, auf das Glück zu verzichten und ihre Worte mit Befangenheit und Angst zu verschleiern, was auch immer sie durchblicken ließ. Er akzeptierte das auf seine direkte Weise und verschwieg ihr nicht die Frauen, die durch sein Leben gingen. Es waren wenige, aber nun gab es ein Datum für das Auftauchen Ninas, wenn er auch, vermutlich aus Diskretion, auf Details nicht einging, einzig auf seine Sorge wegen der zwanzig Jahre, die er ihr voraushatte. Sie sprach nicht von anderen Männern. Nur von ihren Malschülern, von Studienfreunden, von den Bergen und der Schwierigkeit, sich an den einfachen Dingen zu erfreuen. Sie malte große Calla-Blüten, die sie an die Berghotels und an eine Galerie in der Stadt verkaufte. Wenn sie nicht einschlafen konnte, schrieb sie ihm, und wenn ihr etwas Unsinniges in den Kopf kam, schrieb sie ihm, ihre Tage waren voll kleiner Katastrophen, die sie ihm komödiantisch aufbereitete: »Ich schreibe Dir, während mein Hirn in dieser Höllenhitze dahinwelkt. Mit gutem Grund gibt es keine tropischen Philosophen. Zu allem Überfluss sind Kakerlaken aufgetaucht, gegen die ich nicht ankomme, dreist wie Andalusierinnen. Heute hat Juanucho mit mir geschimpft, weil ich so ungekämmt gehe, das Haar wie Besenborsten, als hätte man meinen Kopf in die Schleuder gesteckt.Als er weg war, beging ich die Dummheit, mich vor dem Spiegel zurechtzumachen. Du liebe Güte, ich habe mich in einen Fettkloß verwandelt, mit meinem Hintern könnte ich im Zirkus auftreten, und das nach kaum zwei Wochen! Aber am schlimmsten ist die Akne, wie ich sie mit siebzehn nicht erlebt habe, schuld ist eine Sonnencreme mit Faktor 45, die ich mir brav auf die Nase geschmiert habe, wild entschlossen, im Garten zu arbeiten und alle Ameisen Córdobas auszurotten, aber sie blieb so rot wie bei einem Besoffenen. Wenn Du vor der Tür stündest, ich würde rufen: rette Dich, rette Dich!«
Waldemar hatte eine Schwäche für ihre Einfälle und erinnerte sie fortwährend daran, dass er sie liebte. »Die Liebe ist kein Segen, mein Freund. Sie ist diese Dankbarkeit, dieser Kummer«, schrieb sie. Sie hielt sich an den Teil Waldemars, der ihr wichtig war. »Mein geliebter Albtraum«, nannte er sie, und sie verabschiedete sich immer mit »die Deine«.
Sosehr ich es versuchte, diese zärtliche Verwünschung konnte ich ihr nicht vorlügen, obwohl er die Anrede beibehalten haben mochte. Sie erzählte mir von ihren Zweifeln an der Schwiegertochter, die sie etwas spröde fand, ich versuchte es ab und an mit einem Scherz, beklagte mich vage über Verwirrungszustände und dankte ihr stets für ihre Ratschläge: an der Uferstraße spazieren gehen, Fisch essen, viel Obst und Gemüse, mich mit Freunden treffen, mir einen Hund kaufen, zum Angler werden, zum Friseur gehen, zum Einkaufen, mich massieren lassen, einen Yogakurs besuchen, nicht zu oft in den Spiegel blicken, auf Reisen gehen, mit den Nachbarinnen plaudern, jeden Tag masturbieren, vor dem Fernseher Gymnastik machen.
Der Gedanke quälte mich, sie zu verletzen. Je besser ich sie kennenlernte, desto grausamer war es, weiter in Hansens Vergangenheit vorzudringen. Waldemar erzählte ihr, wie traurig ihn Evas Umzug nach Italien gemacht hatte, vom Tod der Mutter, bei dem er ganz allein gewesen war, »mein einziger Begleiter halb Dichter, halb Weinflasche«, und er sprach von seinen Problemen mit Wanda: »Sie kann sich einfach nicht damit abfinden, dass man ein Glas ohne Absicht zerbricht.« Eines Tages erwähnte er, dass er aus Rivera ein Kreuz mitgebracht hatte. Er war zufrieden, denn die Beglaubigung von Grundstückspapieren würde Geld einbringen, und nach einer kurzen Trennung wartete Nina auf ihn. »Ich habe das Kreuz an die Wand gehängt«, schrieb er. »Es sieht großartig aus, aber was es bedeutet, weiß ich nicht.«
Erst ein paar Monate später sprach er wieder davon: »Am
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