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Der verlorene Freund: Roman (German Edition)

Der verlorene Freund: Roman (German Edition)

Titel: Der verlorene Freund: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos María Domínguez
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Einer hatte ihn eine Hündin misshandeln sehen, weil ihm sein Lohn nicht ausbezahlt worden war, und der andere wollte ebenfalls eine Anekdote zum Besten geben, musste aber die ausführlichen Erläuterungen seines Freundes abwarten, der die Unschuld der Hündin beteuerte. Als er endlich loslegen konnte, legte auch der Gitarrist mit einem Lied los, und ich schnappte nur ein paar Satzfetzen auf, über den Bergbau, eine Lüge und eine Beerdigung.
    Von meinem Groll auf den Sänger erlöste mich der Richter, der plötzlich neben mir stand, mir die Hand reichte und mich an einen frei gewordenen Tisch bat. Er ließ sich seine Flasche und zwei Gläser mit Eiswürfeln bringen und beugte sich zu mir.
    »Ich weiß nicht, warum ich Bingo spiele«, sagte er ernst. »Seit zwanzig Jahren langweilt es mich schon.«
    Er lehnte sich mit einem Lächeln zurück, das nicht mir galt, vielleicht den Männern hinter uns, denn als die Whiskyflasche kam, nickte er mehrmals und zog die Nase kraus. Dann schob er mein Bier beiseite und füllte ein Glas für mich, und ich fragte, wie esihm mit Jonathan ergangen sei. Er sagte, sie hätten den Nachmittag auf der Landstraße verbracht, in Sümpfen und Wäldern, ohne die beiden zu finden. »Sehr schade«, konstatierte er, »denn jetzt wird alles nur noch schlimmer. Soll ich Ihnen die Wahrheit sagen? Der Junge kennt zu viele Verstecke. Kunststück, da er wild aufgewachsen ist. Doch was hat er vor? Wissen Sie es?«
    »Er will mit dem Mädchen fort«, wagte ich zu vermuten.
    »Er kann nirgendwohin. Wir haben die Zollstation von Manuel Díaz verständigt, den Onkel in Livramento, überwachen zwei Straßen; die Zigeunerin schäumt. Wohin wollen die Kindsköpfe, haben doch vermutlich nicht mal hundert Pesos in der Tasche. Ich sage Ihnen, was passieren wird: Man wird sie finden, ob zusammen oder getrennt, und wird sie tüchtig verprügeln. Nicht, weil sie ausgerissen sind, sondern weil sie es miteinander getan haben, denn wäre es nach Jonathans Tante gegangen, die Kuh hätte grün oder blau sein können, sie hätte das kaum bedauert.«
    Immer gesprächiger, je öfter er sich nachschenkte, und von Anfang an entschlossen, mit nichts hinter dem Berg zu halten, erzählte mir der Richter, dass sich die beiden Frauen seit zwei Jahren bekriegten, obwohl sie früher Freundinnen und einverstanden mit den Plänen ihrer Männer gewesen seien. Jonathans Vater Julio hatte sich, nachdem er Witwergeworden war, mit der Schwester seiner Frau zusammengetan, die ihm vier Kinder schenkte, und er arbeitete bereits in der Mine, als Aiache eingestellt wurde, ein nervöser Kerl, sagte er, naiv und etwas eingebildet. »Oder eher argwöhnisch, denn er wollte hoch hinaus, hatte aber wenig Einfälle und fürchtete ständig, dass man sie ihm klaute.«
    »Julio und Aiache kannten sich von früher«, fuhr er fort. »Sie besuchten sich selten, kamen jedoch hier zusammen, in diesem Lokal, und nach einem Jahr heckten die beiden eine Sache aus, ebenso verrückt wie die der Kinder jetzt. Vielleicht haben Sie ja den Stein zerschlagen, den ich Ihnen gegeben habe. Dann haben Sie die Goldfäden gesehen, fein wie Haare, und erkannt, dass man sie einfacher mit dem Auge sieht als mit den Händen greift. Jetzt stellen Sie sich die Größe der Felsen vor. Sie können ins Wasser hinabtauchen, können durch die Luft fliegen, einen Brunnen graben, aber nicht behaupten, Sie könnten in den Fels schlüpfen, sofern Sie nicht verrückt sind, mein Freund, hoffnungslos verrückt. Und trotzdem zersprengt man ihn mit Dynamit, transportiert ihn ab, zerschlägt und zerkleinert ihn, und nach jedem Mahlgang breitet man den Staub auf großen Blechen aus, wo sich das zermalmte Quarz mit Kupfer mischt, Quarz mit Limonit, mit ein paar Gramm Silber, Dreck über Dreck mit wenigen Milligramm Gold. Die Spanier fingen damit an, Franzosen und Engländer machten weiter, stur bohrtenund bohrten sie, nutzten die Energie des Cuñapirú für ein Wasserkraftwerk und zermahlten die Steine, die in den Kipploren der Luftbahn herbeischwebten. Sind Sie dort gewesen? Da gibt es eiserne Zahnräder von zwei Metern Durchmesser, tonnenschwer, die auf Ochsenkarren hergeschleppt wurden, denn das war vor über hundert Jahren, als hier vom Automobil noch nicht mal die Rede war, geschweige denn von einer anständigen Straße. All das wurde, wie man mir erzählt hat, mit zweitausend Ochsenkarren errichtet. Der Marquis de Malherbe ließ sich neben dem Kraftwerk eine Villa bauen, die ihn ein

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