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Der verlorene Freund: Roman (German Edition)

Der verlorene Freund: Roman (German Edition)

Titel: Der verlorene Freund: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos María Domínguez
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alles aus ihrem Versteck gesehen, und so nahm der Kommissar ihn fest, als er vor der Weiterfahrt im Dorf tankte.
    Den ganzen Tag lang schrieben Richter und Kommissar für die Nachwelt an einem Protokoll mit Wohnort, Beruf, Ausweisnummer, Autokennzeichen und dem, was Waldemar Hansen ausgesagt hatte, »als wüsste er nichts von dem Gold«.
    »Sie werden verstehen, dass wir ihm nicht geglaubt haben«, erläuterte Santana, »und wäre nicht unser Beppo hier gewesen, ich hätte ganz gewiss die Geduld verloren.«
    Als Erstes stellten sie fest, dass das Glas nicht im Wagen war, auch nicht fünfzehn Schritte von einem der Bäume entfernt, die im rechten Winkel zum Kreuz und nicht zu nah an einer Mauer standen. Sie hoben mehrere Gruben aus, mehr als nötig, und gaben schließlich auf, voll Ärger, da sie nicht begreifen konnten, was hier gespielt wurde, denn entweder war die Geschichte mit dem Gold erfunden, oder Hansen hatte das Kreuz an die falsche Stelle gesteckt, und in dem Fall mussten sie dem Grund nachgehen. Ihnen fiel auf, dass das Kreuz ein neues Schild mit der Aufschrift trug: »R.I.P. Gabino Pereira, gestorben am 23. August 1945. Seine Angehörigen widmen ihm dieses Andenken.« Die Nichte des Verstorbenen bestätigte, dass genau diese Worte auf dem ursprünglichen Schild gestanden hatten, nur dass es nicht aus Bronze gewesen war.
    »Sehen Sie«, sagte der Kommissar, »ich bin vielleicht voreilig gewesen. Er sollte mir erklären, warum er das Kreuz aufgestellt, aber das Gold zurückgelassen hatte, doch er steckte nur die Hände zwischen die Beine, rieb sich manchmal den Kopf und sah mich so seltsam an. Als ich ihn fragte, ob er mit Julio oder Aiache gemeinsame Sache gemacht habe, wurde er zusehends nervös. Ich sagte, er werde viele JahreZeit haben, um darüber nachzudenken, aber wenn er rede, würden wir ihm helfen. Schließlich schlug er die Augen nieder und bat um eine Zigarette. Ich freute mich, denn erst kommt die Zigarette, dann wird der Mund verzogen, und der Kerl packt aus. Doch der rauchte bloß stumm vor sich hin, rauchte auf und schaute uns immer wieder an, mich und den Richter, die Remington, die Gitterstäbe, die Wände, den Boden. Er zog gierig, blies den Rauch lange nicht aus, nahm sich Zeit, und als er den Stummel mit dem Schuh austrat, sagte er, er habe es in einem Bestattungsinstitut in Montevideo anfertigen lassen, weil er das alte Schild verloren habe.
    Gut. Und wo er das Kreuz herausgezogen habe, wisse er nicht mehr? Er sagte, er habe es an die Stelle gesteckt, an die er sich erinnerte. Neben das Grab von Camargo? ›Das hatte ich mir nicht gemerkt, anfangs wollte ich es ja nicht zurückgeben‹, entgegnete er. Das war nun fatal, und fatal war auch seine Art zu antworten, als wäre es ihm einerlei, was gegen ihn verwendet werden konnte.«
    »Aber noch weniger konnte man glauben, dass er gekommen war, um es zurückzubringen«, fügte der Richter hinzu, »denn keiner nimmt fünfhundert Kilometer für nichts und wieder nichts auf sich. Er sagte, er habe es nicht mehr ertragen, schaute mir in die Augen und schwieg. Ich verlangte eine Erklärung, und er steckte wieder die Hände zwischen die Beine. Da erzählte ich ihm von Aiaches Tod, vielleicht rissihn das ja aus seiner Apathie, und er sperrte die Augen auf, fing zu schwitzen an und war wie weggetreten.«
    »Je länger ich ihn ansah, desto suspekter klang mir alles«, fuhr Santana fort. »Ich fragte, ob er jemanden anrufen wolle, er presste die Hände gegen die Schläfen und verneinte. Wir verständigten das Amtsgericht von Rivera, denn obwohl ich kein Geständnis hatte, war da immer noch die Grabschändung, und damit konnten wir ihm das Leben schwermachen. Anschließend versuchten wir es auf die sanftere Tour. Er wirkte nicht gefährlich, und wir holten ihn aus der Zelle. Aber wegen des Diebstahls kriegten wir ihn einfach nicht dran. Ich fragte noch einmal, mit welchem der beiden er gemeinsame Sache gemacht habe, und er nickte bloß, als spräche ich eine andere Sprache, und wir waren wieder am Anfang. Weshalb hatte er es mitgenommen?«
    »Er sagte, es habe ihm gefallen«, übernahm der Richter, während Santana sich zurücklehnte. »Ich fragte nach dem Grund, er dachte kurz nach und sprach dann von der Form des Eisens, von seiner Einfachheit. Vielleicht fällt es unter die menschlichen Schwächen, dass man Friedhofskreuze mitnimmt. Was meinen Sie? Ich hatte Angst, dass er mich hinters Licht führt, wollte also wissen, was er damit getan hatte.

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