Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der verlorene Sohn von Tibet

Der verlorene Sohn von Tibet

Titel: Der verlorene Sohn von Tibet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eliot Pattison
Vom Netzwerk:
überall auf der Welt. Ich habe mir meine Schätze verdient.«
    »Nein«, sagte eine ruhige Stimme. Lokesh war aufgestanden und sah Dolan eindringlich und vorwurfsvoll an. »Vielleicht haben Sie früher einmal etwas von der Bedeutung dieser Dinge verstanden und noch gewußt, was Wertschätzung heißt. Jetzt aber ist Ihnen allein der Besitz wichtig.«
    »Du alter Narr«, fuhr Dolan ihn an, »was weißt du denn schon vom Leben? Leute wie ihr sitzen herum und betreiben eine Nabelschau, während Leute wie ich die ganze Welt verändern.«
    »Sie müssen umkehren und finden, was Sie verloren haben«, sagte Lokesh.
    Die Worte schienen Dolan wie ein Dolch zu treffen. Er wand sich, verzog das Gesicht und war doch nicht in der Lage, sich von Lokeshs Blick zu lösen. Khan wurde wach und hob mithämischem Grinsen den Kopf. »Meine Hände«, knurrte er. »Machen Sie mich los, und ich knöpfe mir die Leute vor.«
    Dolan ignorierte ihn und starrte weiterhin Lokesh an. »Ihr denkt, ich begreife nichts. Glaubt ihr etwa, ich habe kein Gewissen?« Er machte einen Schritt auf Khan zu. »Ich werde es euch beweisen. Ihr wollt Gerechtigkeit für den Mord an Punji?« Er riß die Pistole hoch, richtete sie auf Khans Kopf und schoß.
    Niemand rührte sich. Dolans Gesicht erinnerte an die grimmigen Dämonen auf den alten thangkas . »So! Das ist es doch, was Chinesen mit Mördern machen, oder? Eine Kugel in den Kopf.« Khan sackte in sich zusammen. Sein Kopf fiel auf die Tischplatte, und eine Blutlache breitete sich aus.
    »Ihre Gottheit verläßt Sie«, sagte Lokesh, der den Amerikaner nicht aus den Augen ließ. »Sie können sie nur noch festhalten, wenn Sie aufhören. Sie müssen loslassen und von vorn anfangen.«
    Wieder schienen die Worte des alten Tibeters Dolan schwer zuzusetzen. Er schaute auf die Waffe in seiner Hand. »Ich weiß nicht mal, wie man dieses Ding benutzt«, sagte er leise und verwirrt. »Es ist einfach losgegangen. Ihr habt es gesehen, es ist einfach losgegangen.«
    »Sie sind verrückt, Dolan«, sagte Corbett. »Da besteht kein Zweifel. Sie sollten Ihr Geld für Ärzte ausgeben.« Er rückte ein Stück näher an das Regal und somit an das Gewehr heran.
    Lokesh ging zu dem Toten, legte ihm wie zum Trost eine Hand auf den Rücken und fing an, die Fesseln zu lösen. Shan kam ihm zu Hilfe. Das kleinkalibrige Geschoß hatte ein sauberes Loch in Khans Stirn hinterlassen.
    »Dieses Mädchen in Seattle«, sagte Shan. »Das waren auch nicht Sie, oder?«
    Dolan fuchtelte mit der Waffe umher, richtete sie auf Corbett, hob sie, als wolle er schießen, ging dann aber weg und stellte sich vor das Porträt von Qian Long. »Das war mein Wagen«, sagte er geistesabwesend zu dem Kaiser. »Ich habe lediglich mit angesehen, wie sie bewußtlos geschlagen wurde.«
    »Waren Sie auch bloß Beobachter, als Sie Abigail über dasGeländer geworfen und dann ihr Fahrrad an der zweiten Brücke entsorgt haben?« fragte Corbett und sah zu dem Gewehr.
    »Oh, die kleine Miss Tugendhaft«, sagte Dolan mit zum Zerreißen gespannter Stimme. »Ich hätte ihr so viel geben können. Aber sie sagte, sie wolle keine meiner Konkubinen werden. Als ich es versucht habe, hat sie mich gekratzt. Ich hätte sie feuern müssen, aber dann hätte sie mich verklagt, die Schlampe.«
    Corbett entrang sich ein tieftrauriger Seufzer. »Abigail hat Sie gesehen, als Sie den Alarm abgeschaltet und Lodi und Punji hereingelassen haben.«
    Dolan stand immer noch vor Qian Long. »Sie dachte, ich wüßte nichts von der Stelle, an der sie immer über die Mauer geklettert ist. Dauernd ist sie mir aus dem Weg gegangen. Hat mit meinen Kindern Geheimnisse vor mir gehabt. Sie mußte ja unbedingt zurückkommen, um den verfluchten Brennofen auszuschalten.« Er drehte sich langsam um. »Ich will, daß er mich begleitet.«
    Shan trat einen Schritt vor. Er verstand nicht, was Dolan meinte, spürte aber, daß Ko sich jeden Moment auf den Amerikaner stürzen wollte.
    »Seht euch ihre Augen an. Sie waren große Männer. Sie wußten, was für eine Bürde die Macht bedeutet. Nehmt auch ihn mit«, sagte Dolan und wies auf das Porträt des kaiserlichen Neffen. »Roll sie zusammen«, befahl er und richtete die Waffe auf Ko.
    »Ich bin keiner Ihrer Sklaven«, protestierte Ko.
    »O doch, das bist du. Und ich habe etwas ganz Besonderes mit dir vor, sobald wir den Schatz gefunden haben. Ich werde dich in dieses Labyrinth bringen, dir in beide Beine schießen und dich im Dunkeln zurücklassen. Die Armee

Weitere Kostenlose Bücher